: Guidos liberaler Komposthaufen
Die Lage der FDP-Führung ist so desolat, dass selbst ein kleines Hanfpflänzchen heute schon zur Gefahr wird
BERLIN taz ■ Wäre Guido Westerwelle cool, er müsste beim Krisengespräch der FDP-Führung am Sonntag einen Joint herumgehen lassen. Am besten mit dem Hinweis, den hat die Conny mitgebracht, aus ihrem Garten. Lasst’s euch schmecken, würde er in die liberale Runde rufen, wir sind ja schon lange für die Freigabe von Hasch. Das hätte Stil.
Doch Westerwelle ist nicht cool. Seit die Liberalen umfragemäßig unter 5 Prozent gerutscht sind, wird der frühere Spaßpolitiker vom Dienst in der eigenen Partei so heftig angegriffen, dass er nichts mehr lustig findet. Auch nicht die höchst amüsante Geschichte von der Hanfpflanze im Hause seiner Generalsekretärin Cornelia „Conny“ Pieper.
Stern-Reporter hatten bei einem Besuch bei Pieper ein Hanfgewächs entdeckt. Dies sei die „grüne Aufzucht meines Sohnes“, habe Pieper erklärt, und „sehr unbedarft gelacht“. Das Lachen verging ihr, als ein paar Tage später Polizisten kamen, die den Stern gelesen hatten. Die Drogenfahnder entdeckten „Reste einer Marihuana-Pflanze“ auf dem Komposthaufen im Garten. Das reichte für Schlagzeilen und Rücktrittsforderungen. „Dieser Vorgang zeigt wieder einmal, wie naiv Frau Pieper ist“, erklärte Schleswig-Holsteins FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki. Sie sei „definitiv überfordert“.
Nun weiß in der FDP jeder, dass der alte Möllemann-Freund Kubicki jede Chance nutzt, um der amtierenden FDP-Führung zu schaden. Unbekannt war bisher aber, dass Kubicki „nie den Arsch in der Hose hat, es einem persönlich ins Gesicht zu sagen“. Dies teilte erst Pieper der staunenden Öffentlichkeit mit. Was einiges über den derzeitigen Umgangston in der FDP sagt.
Gefährlich ist für Westerwelle aber, dass niemand Kubicki widerspricht. Im Gegenteil. Auch die FDP-Chefs aus Berlin und Hessen äußerten kürzlich Unmut. Es könne doch nicht sein, so der allgemeine Tenor, dass die Themen der Liberalen (Sozialabbau etc.) Konjunktur hätten wie noch nie, die FDP aber kaum noch wahrgenommen werde. Das ist das Problem, Pieper nur das Symptom. Was die Liberalen von ihrer politisch, nun ja, eher unauffälligen Generalsekretärin halten, machten sie schon auf dem letzten Parteitag deutlich, als sie Pieper nur widerwillig mit einem katastrophalen Ergebnis (60 Prozent) wiederwählten.
Westerwelle hat sich verrechnet. Er installierte Pieper einst, weil er wusste, dass sie ihm nicht gefährlich werden würde. Als Rivalin. Nun ist sie aber dermaßen schwach, dass sie zum Problem wird. Und Westerwelle, der dringend Hilfe bräuchte, hat keinen starken Partner. LUKAS WALLRAFF