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Archiv-Artikel

Der grandiose Mix aus Bau und Kultur

Einst präsentierte das Neue Museum eine Sammlung von der Steinzeit bis zur Moderne. Nun wird es rekonstruiert – teils klassisch, teils modern. Es ist das dritte große Bauprojekt auf der Museumsinsel. Die dürfte noch 20 Jahre durch das Nebeneinander von Baustelle und Ausstellungen geprägt sein

Pergamonmuseum wartet auf eine Totalsanierung vom Keller bis zum Dach

von THOMAS JOERDENS

Die Tür ist von innen hoffentlich fest verschlossen, denkt vermutlich mancher Spaziergänger, der von der Bodestraße in den Kupfergraben gebogen ist und über den Kanal auf die Museumsinsel blickt. Denn dem Gang durch die nachträglich eingebaute Stahltür in der Mitte einer Hauswand würde ein freier 5-Meter-Fall folgen. Die gefährliche Außenwand bietet noch mehr: zugemauerte Bögen, schießschartenartige Fenster, bunte Ziegel, von denen der Putz abplatzt. Die hässlichste Außenwand in Berlin-Mitte gehört zum Nordostflügel des Neuen Museums.

In die zerbombte Kriegsruine sollen wie vor dem Zweiten Weltkrieg die Sammlungen des Ägyptischen Museums sowie des Museums für Vor- und Frühgeschichte einziehen. So steht es im so genannten Masterplan für die Museumsinsel, den die Stiftung Preußischer Kulturbesitz Ende der 90er-Jahre ausgeheckt hat.

Schwer vorstellbar, dass in sechs Jahren das Neue Museum nicht nur dem Namen nach ein Museum sein soll. In dem einst reich verzierten Haupttreppenhaus, ausgestattet mit riesigen Wandgemälden von Kaulbach, führten breite Treppen in die Abteilungen. Im weltweit ersten Universalmuseum waren die Sammlungen chronologisch sortiert: von der Steinzeit im Erdgeschoss bis zur Moderne unterm Dach. Räume und Exponate sollten Kunstgenuss bieten, wie das benachbarte Alte Museum von Baumeister Karl Friedrich Schinkel, und gleichzeitig Wissen vermitteln. Das war das Konzept des Architekten Friedrich August Stüler.

Heute bedrückt die gut 30 Meter hohe Halle mit nackten Ziegelwänden und kalt-kahler Fabrikatmosphäre. Über eine Bautreppe gelangt der Besucher in die einzelnen Stockwerke und die übrig gebliebenen Räume. In der Ägyptologischen Abteilung stand die Kopie eines kompletten Tempels. An den Wänden waren altägyptische Originalbilder nachgebildet. Traurige Reste der einstigen Pracht hängen im mythologischen Saal als blaugraue Fetzen von der Decke. Ein Trost: Die Tapete ist reparabel.

Dass die Räume eine Treppe höher auf die Exponate abgestimmt waren, muss man wissen. Im Hauptgeschoss der Hochkulturen traf es den Römischen Saal am schlimmsten. Stüler hatte den Raum extra überdekoriert, um „Dekadenz und Überladenheit“ der römischen Kultur spürbar zu machen. Doch von den knallgrünen Wänden, der blauen Decke mit Goldleisten blieb nichts und in den Wandbildern fehlen große Stücke.

Der gegenüber liegende Niobidensaal, benannt nach der griechischen Königin Niobe, macht einen besseren Eindruck. Die Wandbilder, die im gesamten Haus die Mythologie der jeweils thematisierten Epoche abbilden, illustrieren lückenlos die klassisch-griechische Mythologie, und an den zwei Türen stützen vier Choren die Rahmen. Der Raum war voll gestellt mit einer Gipsabgusssammlung, die die Zeit von der Antike bis zur Renaissance abdeckte, unter anderem mit Büsten bedeutender Männer, Plastiken, der Florentiner Paradiestür des Baptisteriums. Die Exponate existieren großenteils noch.

160 Jahre nach der Grundsteinlegung wird das Haus wieder aufgebaut. Doch nicht originalgetreu. Der britische Architekt David Chipperfield kündigt eine historische Rekonstruktion mit modernen Elementen sowie bleibenden Spuren der Zerstörung an, um die Geschichte des Hauses sichtbar zu machen.

Selbstverständlich bekommt das Museum neue Treppen in der Halle. Aber die verlorene Kaulbach-Kunst bleibt Geschichte, ebenso der weggebombte Nordwestflügel. An anderen Wandbildern sollen nur kleinere Schäden repariert werden. Bei größeren Fehlstellen werde der Hintergrund vereinheitlicht. Die Aufbauformel lautet: Alte Substanz erhalten, aber nichts dazuerfinden oder imitieren. Je nach Zustand entsteht in den Räumen eine Mischform aus aufwändigem Original und zierloser Reduktion. Über die inhaltliche Gestaltung wird noch diskutiert.

Das Neue Museum bildet seit Juni die dritte Großbaustelle auf dem Weltkulturerbe Museumsinsel. An die erste denkt schon niemand mehr. Seit zwei Jahren strahlt die grundsanierte Alte Nationalgalerie. Das 1876 eröffnete Haus neben dem Neuen Museum hat sich zu einem Publikumsliebling gemausert. Als Museum des 19. Jahrhunderts spannt die Alte Nationalgalerie den Bogen vom Klassizismus der Goethezeit über Romantik und Biedermeier bis zum Impressionismus und präsentiert Malerei und Skulptur. Lovis Corinth und Max Beckmann bilden die Schnittstelle zur Neuen Nationalgalerie.

Von Besuchern ist noch keine Rede im Bodemuseum, das seit sechs Jahren hinter Gerüsten und Planen versteckt wird. Laut Plan soll das Haus an der Nordwestspitze der Museumsinsel zwischen S-Bahn-Trasse und Spree 2006 wieder eröffnen mit Münzkabinett, der Skulpturensammlung sowie dem Museum für Spätantike und Byzantinische Kunst. Auf dem Sanierungswunschzettel des Stiftungspräsidenten Klaus-Dieter Lehmann steht als Nächstes das Pergamonmuseum am Kupfergraben zwischen dem Neuen Museum und dem Bodemuseum.

Optisch macht der graue Klotz schon ganz auf Baustelle. Fast die komplette Fassade verschwindet hinter Gerüsten. Der weitläufige Vorplatz ist teilweise mit Gittern abgesperrt, und in den Ausstellungsräumen beeinträchtigen Gerüsttürme sowie Traversen den Blick auf die Haupattraktionen: Pergamonaltar, Markttor von Milet, Ischtar-Tor. Doch mit Sanierung haben die Gittertürme nichts zu tun. Sie sind nötig, weil die Lichtdecke abzustürzen droht. Gegen Jahresende sollen Decke sowie Dachkonstruktion repariert und die Stützen wieder verschwunden sein. Notwendig wäre allerdings eine Sanierung vom Dach bis in die Gründung. Die neuesten schlechten Nachrichten lauten: Der Ehrenhof sackt ab, Wasser dringt ein, der Keller weist Setzungsrisse auf. Der komplette Arbeitsumfang soll in fünf Jahren feststehen. Unklar ist der Sanierungsbeginn.

Wenn es so weit ist, dürfte wieder der Bund die Rechnung zahlen, wie beim Neuen Museum. Dessen Aufbau kostet schätzungsweise 233 Millionen Euro. Anschließend steht die Instandsetzung der Mutter aller Inselmuseen auf dem Plan, das Alte Museum, eröffnet 1830, mit Antikensammlung am Lustgarten. Der Mix aus Kultur und Bau könnte sich also noch zwei Jahrzehnte hinziehen.

Der Masterplan soll bis 2012 umgesetzt werden und hinkt seinem ursprünglichen Ziel bereits zwei Jahre hinterher. Der Bund zahlt zwar nach dem Ausstieg des Landes Berlin seit diesem Jahr für den Inselaufbau allein, aber nur 80 Prozent. Dadurch verzögert sich auch die „Archäologische Promenade“. Eine Art unterirdischer musealer Spazierweg, der Altes, Neues, Pergamon- und Bodemuseum verbindet. Auf unbestimmte Zeit verschoben ist ein Neubau auf dem Hof des Neuen Museums. Dem Schmuddelhof täte Veränderung gut. Bis auf einige Skulpturen ist die Brache am Kupfergraben zugestellt mit Stahlgerüsten, Mülltonnen, Containern.