: Der „Bochumer Geist“ steckt noch in der Flasche
Die Bochumer Opel-Betriebsräte waren einst berühmt für ihre Streikfreude. Angesichts der Schließungspläne halten die Belegschaftsvertreter jedoch still. In der Belegschaft gärt es
BOCHUM taz ■ Noch im April hatte die Belegschaft Grund zum Feiern: 22.700 Läufer passierten beim zweiten Ruhrmarathon das von Operngesang beschallte Presswerk des Opel-Werks I in Bochum. Nun scheint es, als müssten die riesigen Fertigungshallen künftig häufiger für Kultur- und Sportveranstaltungen genutzt werden: Die Sparpläne des Mutterkonzerns General Motors sehen laut Presseberichten vor, dass Opel Bochum in drei Unternehmensteile zerschlagen, die Fahrzeugmontage geschlossen und die Achsenproduktion nach Tschechien verlagert wird. Mindestens 2.000 Arbeitsplätze sind bedroht. Doch der Bochumer Betriebsrat bleibt ruhig: „Proteste sind noch nicht geplant“, sagt der stellvertretende Vorsitzende Rainer Einenkel.
Für die kampferprobten Bochumer Opelaner ist das ein Traditionsbruch. „Früher hätten wir uns das nicht gefallen lassen“, sagt Peter Jaszczyk, ehemals Bochumer Betriebsratschef und Aufsichtsrat der Adam Opel AG. Jaszczyk ist Mitglied in DKP und SPD gewesen, jetzt engagiert er sich bei der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit. Er verweist gerne auf die Zeit, in der die Opel-Arbeiter, anfänglich meist umgeschulte Bergleute, für ihre Streikbereitschaft, den so genannten Bochumer Geist, berühmt waren. „Wir waren die Spanier in Europa; wenn wir wollten, standen überall die Werke still“, sagt er. Für ihn ist klar, weshalb General Motors seine Kürzungen im Bochumer Werk und nicht im Stammwerk in Rüsselsheim vornehmen will. „Wir waren denen schon immer zu renitent. Die wollen uns loswerden“, glaubt er.
Doch die Opel AG sieht andere Gründe dafür, vor allem in Bochum zu sparen: Die Lohnkosten am Standort sind überdurchschnittlich hoch, und die Montage läuft in vielen Bereichen noch mechanisch, während im neuen Rüsselsheimer Werk Computer den Großteil der Arbeit übernehmen.
In die über 40 Jahre alten Werke, die größte Industrieansiedlung im Ruhrgebiet nach dem ersten Zechensterben in den Fünfzigerjahren, ist seit Jahren kaum mehr investiert worden. Dass die Auslastung des Standorts trotzdem noch gut ist, verdanken die Bochumer Opelaner vor allem dem überraschenden Erfolg der Modelle Zafira und Astra Caravan, die in den vergangenen Jahren in Bochumer Werk vom Band gelaufen sind.
Nicht die Renitenz der Arbeiter, sondern ökonomisches Kalkül wird also für die mögliche Teilschließung des Bochumer Werks angeführt. Ohnehin geben sich die gegenwärtigen Arbeitnehmervertreter konziliant: Die Belegschaft solle sich von der Konzernführung nicht verrückt machen und provozieren lassen, versucht Betriebsrat Einenkel zu beruhigen. Auch der Bochumer IG-Metall-Chef Ludger Hinse fordert Besonnenheit: Man dürfe nicht zulassen, dass die Standorte gegeneinander ausgespielt würden, sagt er. Proteste seien nur dann sinnvoll, wenn sie europaweit koordiniert seien. „Wir müssen begreifen, dass Bochum nicht der Nabel der Welt ist“, so Hinse.
Viele Arbeiter wünschen sich jedoch einen Streik: „Wir dürfen nicht gebannt wie das Kaninchen auf die Schlange starren und warten, bis wir gefressen werden“, fordert etwa der Opel-Vertrauensmann Norbert Spittka. Auch in Internetforen wird der Betriebsrat gedrängt, einen Arbeitskampf zu starten.
Die Arbeiter drängt auch die Sorge um die Region Bochum, in der rund 40.000 Jobs bei Zulieferbetrieben an der Zukunft des Opel-Werks hängen. Schon jetzt liegt die Arbeitslosenquote im Ruhrgebiet bei über 13 Prozent. Sie könnte noch weiter steigen: Nur wenige Kilometer von Bochum entfernt kämpft in Essen auch die angeschlagene KarstadtQuelle AG um ihr Überleben – übrigens der Hauptsponsor des letzten Ruhrmarathons. KLAUS JANSEN