Bremerhaven will Hürde zurück

Dem Bremer Senat droht eine Niederlage vor dem Staatsgerichtshof. Die Richter sehen den Plan kritisch, bei den Kommunalwahlen in Bremerhaven die Fünf-Prozent-Hürde wieder einzuführen

Ohne Sperrklausel droht eine „Paralysierung“, sagen SPD und CDU

VON JAN ZIER

Es ist eine Frage des Wahlrechts, der Demokratie als solcher – vor allem aber ist es eine Machtfrage. Darf Rot-Grün in Bremen die Fünf-Prozent-Klausel für die Kommunalwahl in Bremerhaven wieder einführen? Wohl eher nicht. Darauf deutet jedenfalls die gestrige Verhandlung vor dem Bremischen Staatsgerichtshof hin. Der hat die Frage bis zum 12. Mai zu entscheiden.

Erst 2006 wurde die Sperrklausel für den Stadtrat in Bremerhaven abgeschafft – durch ein maßgeblich von den Grünen unterstütztes Volksbegehren. Jetzt wollen SPD, Grüne und CDU im Bremischen Landtag genau das wieder rückgängig machen. Weil es die große Koalition in der Seestadt so will.

Das wäre, rein rechtlich betrachtet, nicht unbedingt ein Problem gewesen – hätte nicht das Bundesverfassungsgericht zwischenzeitlich die Fünf-Prozent-Hürde für Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein gekippt. Seither hängen die Hürden sehr hoch: Wer bei Stadtratswahlen die Chancengleichheit einschränken will, muss einen sehr guten Grund haben.

Den Wunsch, rechte Parteien aus dem Stadtrat fernzuhalten lassen die Karlsruher Richter dabei nicht gelten. Auch der Verweis auf die Fünf-Prozent-Hürde bei Landtags- und Bundestagswahlen zählt nicht: Stadträte sind keine Parlamente und keine Gesetzgeber – sie dienen in erster Linie der Verwaltung. Das gilt auch für die Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven. Zulässig ist eine Fünf-Prozent-Hürde nur, wenn „mit einiger Wahrscheinlichkeit“ zu erwarten ist, dass die Funktionsfähigkeit des Stadtrates sonst stark beeinträchtigt ist. Flächenstaaten kennen eine Sperrklausel bei Kommunalwahlen nicht mehr, in Hamburg und Berlin gilt sie noch für die Bezirksversammlungen.

Ohne die Hürde befürchtet die große Koalition in Bremerhaven eine „Paralysierung“ der Politik. Nicht nur die Wahl des Oberbürgermeisters, auch die Mehrheitsbildung in der Stadtverordnetenversammlung sei „in Frage gestellt“. Splitterparteien und deren Zweckbündnisse, so das Argument, zerstörten das „normale Funktionieren“, die „kontinuierliche Arbeit“.

Dabei würde die Hürde an der gegenwärtigen Zusammensetzung der Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven nichts ändern – die DVU errang bei den letzten Wahlen 5,5 Prozent. 2003 allerdings hätten ohne Sperrklausel die Schillpartei sowie die Wählervereinigung B. H. V. mit je einem Sitz einziehen können. Und 1999 wären sechs statt vier Parteien vertreten gewesen, darunter die FDP.

1981 hat der Staatsgerichtshof zwar die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel bestätigt – seinerzeit ging es aber nur um die Landtagswahl. „Wir haben in der vorliegenden Frage bislang noch nicht entschieden“, betonte der Präsident des Staatsgerichtshofs Alfred Rinken.

Über „mildere“ Alternativen zur Wiedereinführung der Fünf-Prozent-Klausel wurde – das machte die Verhandlung deutlich – bislang nicht nachgedacht. Zugleich musste SPD-Rechtspolitiker Björn Tschöpe eingestehen, dass es seit der Abschaffung der Klausel 2006 „keine neuen fundierten Überlegungen“ gab, die eine Wiedereinführung rechtfertigen könnten.

Zwar wird immer wieder die Vereinheitlichung des Kommunalwahlrechts im Zweistädtestaat angeführt – die Fünf-Prozent-Hürde gilt auch für die Bremische Stadtbürgerschaft. „Verfassungsästhetisch“ wäre Einheitlichkeit schön, so Rinken. Aber nicht zwingend. Und während für SPD, CDU und Grüne Vereinheitlichung heißt, die Hürde in Bremerhaven wieder einzuführen, liegt es für manche Verfassungsrichter näher, sie auch in Bremen abzuschaffen.