danziger tagebuch (4): mittwoch, den 29.10.03
: Henning dankt im Krankenpflegerton

Am Mittwoch war es so weit: Festakt. Die Städtepartnerschaft zwischen Bremen und Danzig wurde mit dem Erich-Brost-Preis geehrt (taz von gestern) – Johannes Rau trifft Aleksander Kwasniewski trifft Henning Scherf. Martin Heller und Uli Fuchs von der Projektgruppe Kulturhauptstadt sind auch dabei, zwecks Einbindung Danzigs in Bremens Bewerbung. Voilà: Der letzte Teil des taz-Tagebuchs, live aus Danzig.

Offenbar geht’s ums Ganze: Im rekonstruierten so genannten Adams-Saal hängt ein Hirsch aus dem Orpheus-Bild. Sowohl der Bremer Bewerbungsintendant Heller, der alte Museumsmann, als auch sein Mitarbeiter Fuchs tragen erstmals Krawatten. „Ein Zeichen persönlicher Wertschätzung“, sagt Heller. Aber für wen? Der Tross folgt stumpfsinnig den Würdenträgern – als ob bei einer Preisverleihung etwas Außerordentliches zu erwarten wäre: Die Staatsoberhäupter drücken ihre Gedanken aus, dass es Courths-Mahler eine Lust gewesen wäre, und die Stadtoberhäupter bekommen ihre Urkunde, eine auf Polnisch, eine auf Deutsch.

Respekt: Der Chor singt unter polnischer Leitung richtig gut. Und auch das Zusammenspiel mit der Cappella Gedanensis scheint dann zu klappen. Scherf bedankt sich im Krankenpflegehelferton, als bestünde das Publikum aus Halbdebilen: Er brauche hier keine Polizei. Und alle Polen seien seine Freunde. Nur dafür sind die Arme dann eben doch zu kurz. Ein offenkundiges Rezidiv in die Pfadfinderzeit. Ob er das auch nach einem sachten Schlag in die Kniekehlen noch so sagen würde?

Der Kokon der Gruppe ist geplatzt. Allein durch die Stadt treiben lassen, Tram fahren. Ab und zu steigt der Fahrer aus und stellt eine Schraube nach. Neben der Lenkvorrichtung scheint er sich in seiner Kabine ein Händl zu braten. Zu sehen ist es nicht, aber es riecht entsprechend aus dem offenen Fensterchen.

3:29 Uhr in der Nacht – plötzlich Aufschrecken: Ob mich das Zimmermädchen liebt? Warum sonst hätte sie mir ausgerechnet für die letzte Nacht neue elektrisch-kunstseidene Bettwäsche und einen Satz frischer Handtücher gebracht? Ein Irrtum? Für eine Fernbeziehung zwischen Bremen und Danzig wird’s nicht reichen. Ohnehin eine völlig sinnlose Frage. Hält aber trotzdem länger wach. bes