Hoher Preis für Karstadt-Rettung

Auch wenn es bei KarstadtQuelle keine Kündigungen geben soll: Die Sanierung des Konzerns geht vor allem auf Kosten der Belegschaft

AUS BOCHUM BORIS ROSENKRANZ

Die zähe Nacht stand den Vertretern der Gewerkschaft Ver.di und der Vorstandsriege des KarstadtQuelle-Konzerns gestern ins Gesicht geschrieben. Knapp 29 Stunden hatten sie verhandelt, eine endgültige Einigung dabei immer wieder angezweifelt. Um 16 Uhr dann die bittere Kunde: Zwar seien „betriebsbedingte Kündigungen so gut wie ausgeschlossen“, wie die Verhandlungsführerin von Ver.di, Franziska Wiethold, vage formulierte. Dennoch werde KarstadtQuelle sukzessive 5.500 Stellen abbauen, davon 4.000 in den Kaufhäusern, den Rest im Versandhandel.

Kann die Belegschaft also aufatmen? Nur teilweise, denn die vereinbarte Einsparung von 760 Millionen Euro binnen drei Jahren trifft die Angestellten hart. Solange Karstadt auf Sparflamme kocht, wird keiner von ihnen eine Gehaltserhöhung bekommen. „Das sind schmerzhafte Einschnitte“, sagte Wiethold, die lindernd anfügte, dass die Angestellten ja weiterhin beschäftigt blieben und wenigstens die Arbeitszeit nicht verlängert werde. Und auch nicht verkürzt, wie es Ver.di obendrein gefordert hatte.

Das von der Karstadt-Krise am stärksten betroffene Bundesland Nordrhein-Westfalen, und hier insbesondere die Rhein-Ruhr-Region, steht nun vor einer schweren Zeit – auch wenn die Schließung kleinerer Häuser nach Angaben von Vorstandschef Christoph Achenbach vermieden werden soll. Für 67 der 77 angeschlagenen Häuser gebe es eine Bestandsgarantie, bestätigte Ver.di-Sprecher Harald Reutter der taz. Dennoch sind in den Städten an Rhein und Ruhr allein 35 jener 77 Filialen von den aktuellen Sanierungsplänen betroffen. Zudem krankt nicht nur der Kaufhaus-Riese. Auch die Ruhrkohle AG baut Stellen ab, und der angeschlagene Automobilfabrikant Opel, ein Tochterunternehmen von General Motors, will in seinem Bochumer Werk 4.000 Stellen streichen. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) bezeichnete angesichts des Opel-Plans die Einigungen bei Karstadt als „gutes Zeichen an einem schlechten Tag“. Clement begrüßte bei einer Opel-Krisensitzung im Bochumer Rathaus vor allem, dass nicht auch noch bei Karstadt betriebsbedingt gekündigt werde.

Doch abgesehen von den Arbeitsplätzen, die der Krise anheim fallen, ist die Karstadt-Misere für die Innenstädte ein Schlag ins Gesicht. „Handel findet innen statt“, betonte gestern der Chef der Industrie- und Handelkammer Mittleres Ruhrgebiet, Tillmann Neinhaus.

Noch in der vergangenen Woche hatte der Karstadt-Vorstand versucht, sich wenigstens im größten Bundesland zu retten – und sich dabei in peinliche Widersprüchen verstrickt. Gemeinsam mit den Oberbürgermeistern der betroffenen Städte wollte der Konzern über die Zukunft beraten. Dabei soll Vorstands-Chef Christoph Achenbach vorgeschlagen haben, eine Gesellschaft zu gründen, an der sich die Kommunen beteiligen könnten – finanziell, so wurde es jedenfalls von den Stadtoberhäuptern verstanden. Doch als die für besagte Idee nur ein Kopfschütteln übrig hatten, ruderte Karstadt zurück. Konzernsprecher Jörg Howe beteuerte gegenüber der taz, man habe nur an eine „ideelle Beteiligung“ gedacht, nicht an eine finanzielle. Eine Gesellschaft also, in der man mit Zuspruch und Wohlwollen bezahlt? Ja und nein: Denn die Gesellschaft wird es doch geben. 77 defizitäre Filialen sollen in Kürze dorthin ausgegliedert und innerhalb der nächsten drei Jahre veräußert werden.

Das ist nur ein Beispiel, wie hilflos Karstadt zuweilen um Hilfe bettelte. Der Vorwurf hingegen, dass sich die Kaufhausmanager mit unnötigen Investitionen selbst in den Schlamassel geritten hätten, wurde dabei gern heruntergespielt. Gestern warf beispielsweise der Landesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in NRW, Walter Haas, Karstadt und Opel Missmanagement vor. Die „Nieten in Nadelstreifen“, so Haas wörtlich, hätten leichtfertig zigtausende Arbeitsplätze gefährdet. Bei Karstadt beharrte man aber stets auf der schlechten konjunkturellen Lage in Deutschland als Grund für die Pleite. Und darauf, dass die Stadtkerne unter großen Einkaufszentren „auf der grünen Wiese“ zu leiden hätten.

Dabei hatte sich die derzeitige Situation schon lange angebahnt. Immer wieder gab es in der Vergangenheit Spekulationen über die Wirtschaftlichkeit des Konzerns, der sich seit 1997 auch in anderen Sparten breit macht. Zunächst gründete Karstadt gemeinsam mit der Fluggesellschaft Lufthansa ein Touristikunternehmen, den heutigen Thomas-Cook-Konzern, der ebenfalls Verluste bescherte. Selbst vor dem Einstieg bei den amerikanischen Kaffeekochern „Starbucks“ und der Gründung von Fitnesscentern schreckte die Konzernspitze nicht zurück.