: Der Mann, der über die Ehefrau stolperte
Wolfram Köhler, Urvater der Olympia-Bewerbung Leipzigs, wurde geschasst – wegen der Geschäfte seiner Ehefrau
Bürger auf den Straßen Riesas konnten die Nachricht von der Entlassung des sächsischen Olympiastaatssekretärs Wolfram Köhler am Mittwochabend kaum fassen. „So werden sie alle noch rausekeln, und dann ist die Olympiade weg!“ Köhler ist nach wie vor beliebt in seiner Wahlheimatstadt Riesa. Ursprünglich sollten Riesa, Dresden und Chemnitz als Wettkampfstätten in die Bewerbung Leipzigs um die Olympischen Spiele 2012 einbezogen werden. Köhler gilt als Urvater dieser Bewerbung.
Nach Riesa war der frühere Liedermacher aus dem brandenburgischen Templin nach Ausbürgerung und einem dreijährigen West-Intermezzo 1990 zurückgekehrt. Kaum 23 Jahre alt, wurde der CDU-Politiker bei den ersten freien Kommunalwahlen zum Beigeordneten für Sport, Schule und Kultur gewählt. Seit 1994 stand er an der Spitze der früheren Stahlarbeiterstadt, 2001 wählten ihn 78,4 Prozent zum Oberbürgermeister.
Der äußerst agile, oft nervös wirkende 35-Jährige stand vor allem für den Wandel einer Industriebrache mit 10.000 Arbeitslosen zur Sport- und Showstadt Riesa. 1995 begann es mit der Junioren-Weltmeisterschaft der Sportakrobaten. Sumo-Ringer, WM-Boxkämpfe, Auftritte von Muhammad Ali, Katarina Witt, Elton John oder den Toten Hosen folgten. Riesa ist freilich auch die Stadt, in der die NPD-Zeitung Deutsche Stimme ihren Sitz nahm. Köhler spielte virtuos mit den altrömischen Regeln von „Brot und Spielen“, knüpfte Verbindungen in Politik und Wirtschaft. Nach einem saftigen Sponsoringvertrag wurde die 1999 erbaute Sportarena in „Erdgas-Arena“ umbenannt.
Eben dafür bezieht seine erst vor zwei Jahren geehelichte Frau Franziska juristisch zwar korrekte, moralisch aber angreifbare Provisionen. Der Vertrag läuft seit 2002, innerhalb von zehn Jahren soll sie immerhin 375.000 Euro an Provisionen bekommen. Amtlicherseits gilt die Affäre um diese private Verquickung nicht als der eigentliche Entlassungsgrund Köhlers. Am Ende eines zweistündigen Telefonats mit Ministerpräsident Georg Milbradt stand vielmehr der vielsagende presseoffizielle Satz: „Wolfram Köhler kann sich bei den Auseinandersetzungen um seine Person nicht mehr mit seiner ganzen Kraft für Olympia engagieren.“ Angeblich sei Köhler für die Entscheidung dankbar, heißt es in der Pressemitteilung.
In gewisser Weise könnte das sogar zutreffen. Ein halbes Jahr nach seiner spektakulären Berufung zum Olympia-Staatssekretär am 6. Mai hat genügt, den schwungvollen Vater der Leipziger Olympiaidee auf Schritttempo auszubremsen. Zuletzt wurde das Prinzip „Sächsische Spiele“ mit der Einbeziehung mehrerer Städte aufgegeben – zugunsten der Konzentration auf Leipzig. Köhler stand ohnehin immer im Schatten des Leipziger Oberbürgermeisters Wolfgang Tiefensee (SPD). Den jetzt erfolgten Karriereknick nimmt Köhler jedoch gelassen: „Um mich braucht man sich keine Sorgen zu machen“, kommentiert das Energiebündel. MICHAEL BARTSCH