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Archiv-Artikel

Wenig Rückhalt aus Südamerika

Jürgen Trittin wirbt in Brasilien für die Bonner Renewables-Konferenz. Trotz strategischer Partnerschaft der beiden Länder für Windräder hat sich wenig getan – die brasilianische Regierung hätte lieber Geld, um ihr Siemens-AKW endlich fertig zu stellen

aus Brasilia GERHARD DILGER

„Brasilien ist ein großes grünes Land“, sagt Dilma Rousseff. Doch in ihrem abschließenden Vortrag macht Brasiliens Energieministerin klar, dass sie keine ökologische Kraftanstrengung plant. Schon jetzt bestreite Brasilien schließlich 41 Prozent seines Energieverbrauchs aus erneuerbaren Quellen, zitiert Rousseff Statistiken ihres Vorgängers: aus Wasserkraft und Biomasse.

Neben ihr sitzt Jürgen Trittin. Der Umweltminister ist angereist, um der „Renewables“-Konferenz, die im Juni in Bonn stattfindet, Auftrieb zu verschaffen. Lateinamerikaner und Europäer hatten auf dem Erdgipfel von Johannesburg eine „Koalition für erneuerbare Energien“ gebildet – als Gegenpol zu den USA und den arabischen Staaten, die bindende Ziele blockierten.

Auf der ersten Vorbereitungskonferenz in Brasilia bekräftigten Regierungsvertreter aus Lateinamerika und der Karibik vorgestern eher lustlos, am beschlossenen Ziel festzuhalten: Bis 2010 sollen in dieser Region mehr als 10 Prozent des Energieverbrauchs aus erneuerbaren Quellen erzeugt werden. Windelweiche Zusatzformulierungen machen deutlich, dass sich Trittins Hoffnung auf einen „rasanten Start“ nicht erfüllt hat. Der Hauptgrund: Brasiliens Regierung, im Vorjahr noch regionaler Wegbereiter, ist sich in dieser Frage nicht einig.

Für Umweltministerin Marina Silva, die prächtig mit Trittin harmonierte, sind erneuerbare Energien eine strategische Angelegenheit. Doch im Streit gegen die Wachstumsapostel im Kabinett, zu denen neben Rousseff auch der harte Kern um Präsidialamtsminister José Dirceu zählt, steht sie mit dem Rücken zur Wand. „Für Rousseff sind erneuerbare Energien nur Dekoration“, sagt Marcelo Furtado von Greenpeace Brasilien.

So war es auch die Umweltministerin, die ein deutsch-brasilianisches Kooperationsabkommen über erneuerbare Energien ankündigte. Profitieren sollen davon auch Windkraftfirmen aus Deutschland. Eine peinliche Altlast jedoch möchte Trittin am liebsten leise einschlummern lassen: die deutsch-brasilianische Atomzusammenarbeit. Die Finanzierung des AKW Angra 3 sei eine „völlig theoretische Frage“, sagte Trittin zur taz. Das sieht Dilma Rousseff anders: Für die Bestandteile des Siemens-Meilers vom Biblis-Typ, die seit Jahrzehnten am Küstenort Angra dos Reis lagern, habe Brasilien immerhin 750 Mio. Dollar bezahlt. Die Entscheidung für den Angra-3-Bau scheitert nach wie vor an der Finanzierungsfrage – eine Hermesbürgschaft verweigert die Bundesregierung bislang.

So konfrontierten brasilianische Umweltaktivisten Trittin erneut mit der Forderung nach Kündigung des deutsch-brasilianischen Atomabkommens von 1975, die 2004 erfolgen könnte. Deutschland wolle dies lieber einvernehmlich mit der Regierung Lula regeln, sagte Trittin.

Ohne finanzielle Zugeständnisse dürfte das wohl nicht gehen. Rousseff und Silva jedenfalls bekamen 50.000 Unterschriften gegen Angra 3 überreicht, Greenpeace spannte vor dem Präsidentenpalast einen Teppich aus 14.000 bunten Postkarten auf.

In Brasilia wäre Trittin beinahe Renate Künast über den Weg gelaufen. Auf ihrer viertägigen Reise gründete die Agrar- und Verbraucherministerin eine bilaterale „Arbeitsgruppe Agrobusiness“ mit und traf sich mit Kleinbauern-Aktivisten. Nach dem Scheitern der WTO-Ministerrunde in Cancún sei sie sich jetzt mit ihren brasilianischen Kollegen einig, dass man „konstruktiv weiterverhandeln“ wolle, sagte Künast der taz. Hierfür müsse die EU ihre Strategie „neu diskutieren“ und stärker berücksichtigen, wie man den Armen in Schwellenländern helfen könne.