: Kreml bemüht sich um Schadensbegrenzung
Yukos-Konzernchef Chodorkowski tritt zurück. Putin-Vertrauter kritisiert das Vorgehen der Justiz
MOSKAU/PARIS dpa/rtr ■ Der vor mehr als einer Woche festgenommene Ölmagnat Michail Chodorkowski hat gestern sein Amt als Chef des russischen Ölkonzerns Yukos niedergelegt. Die Führung werde nun von einer „Mannschaft hochprofessioneller Manager“ übernommen, hieß es in einer Erklärung. Genaueres war zunächst nicht zu erfahren. Die Börse reagierte mit Kursstürzen. Erst am Sonntag hatte die russische Regierung sich um Schadensbegrenzung im Streit zwischen Yukos und der Justiz bemüht: Als erstes Kreml-Mitglied kritisierte der neue Stabschef Dmitri Medwedjew öffentlich die Staatsanwaltschaft – allerdings nur wegen der Beschlagnahme von Yukos-Aktien in der Vorwoche. Dies sei eine „nicht zu Ende gedachte Handlung“ gewesen.
Yukos-Konzernchef Michail Chodorkowski wird verdächtigt, den Staat bei Privatisierungsgeschäften in den 90er-Jahren um eine Milliarde US-Dollar betrogen zu haben. Kritiker aus dem In- und Ausland unterstellen dem Kreml allerdings die Absicht, den größten Ölkonzern des Landes wieder verstaatlichen zu wollen und das Vorgehen der Justiz gegen den politisch ambitionierten Chodorkowski deshalb angeordnet zu haben. Diese Vermutungen waren auch dadurch gestützt worden, dass der als wirtschaftsnah geltende Alexander Woloschin als Kreml-Stabschef zurückgetreten und durch den Putin-Vertrauten Medwedjew ersetzt worden war.
„Die beschlagnahmten Aktien gehören Offshore-Unternehmen, die Anspruch auf Schadenersatz erheben“, argumentierte der promovierte Jurist Medwedjew. Die „juristische Effektivität solcher Sicherungsmaßnahmen“ sei „nicht offensichtlich“.
Die generellen Vorwürfe hatte Medwedjew jedoch nicht in Frage gestellt. „Wir gehen davon aus, dass diese Dinge peinlichst genau untersucht werden und dass die Entscheidung über eine Schuld der betroffenen Personen nur von einem Gericht in Übereinstimmung mit den russischen Gesetzen getroffen wird.“
Die französische Zeitung Le Monde berichtete derweil, Chodorkowski habe seine Yukos-Beteiligungen in westlichen Steuerparadiesen vor dem Zugriff des russischen Staates geschützt. Die Anteile lägen über die ineinander verschachtelten Holdings Hulley Enterprises auf Zypern und Yukos Universal auf der Isle of Man bei der Menatep Group, einer von 60.000 Briefkastenfirmen auf Gibraltar. Diese käme auch als Treuhänder für Anteile samt Stimmrechten ins Spiel, wenn Chodorkowski nicht mehr über sie verfügen dürfe. Die Menatep Group ist nach dem English Trust Act von 1893 gesetzlich vor der Beschlagnahme von Aktien aufgrund von Vergehen wie Steuerhinterziehung oder -betrug geschützt. Der Oberste Gerichtshof der englischen Kronkolonie müsste Chodorkowski wegen Geldwäsche schuldig sprechen, wenn die russischen Behörden Chancen haben sollen, an die Anteile zu kommen.
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