Vorsicht Müllabfuhr

Atommüll: Castor-GegnerInnen haben sich in vielen Regionen auf Widerstand eingerichtet, damit Gorleben kein Atomklo der Nation wird

von KAI VON APPEN

In einem Punkt waren sich gestern auf der Pressekonferenz in Hamburg alle einig: Sich kommende Woche im Wendland erneut einem Castor-Transport entgegenzustellen, habe nichts mit Ritual zu tun, sondern sei als entscheidender Schritt des Widerstandes gegen das Atomprogramm anzusehen. „Die Weichen werden jetzt gestellt“, sagt der Sprecher der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, Wolfgang Ehmke. Der Hamburger Physiker und langjährige Vordenker der Anti-Atombewegung Fritz Storim pflichtet ihm bei: „Obwohl der Salzstock aus naturwissenschaftlichen Gründen nicht verwertbar ist, soll Gorleben atomares Endlager werden.“ Denn der rot-grüne Atomkonsens bedeute keinen Atom-Ausstieg, sondern einen Bestandsschutz der Atomkraft-Betreiber. Da noch Unmengen hochradioaktiver Abfälle anfallen, werde ein „Atomklo“ gebraucht.

Der Atommüllzug mit 12 Castoren aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague wird nach bisherigen Informationen am Montagmorgen die deutsch-französische Grenze bei bei Lauterbourg/Wörth passieren. Wenn der Zug ungestört durchkommt, „was wir natürlich nicht hoffen“, wie Storim sagt, werde der Zug womöglich am Dienstagmittag den Verladebahnhof Dannenberg erreichen.

Dass der Zug nicht ungehindert Gorleben erreicht, dafür haben sich zahlreiche Initiativen unterschiedlicher Couleur Aktionsformen einfallen lassen. So ist in Lüneburg die Aktion „Betriebsstörung“ geplant, in Anspielung auf die Prozesse gegen Castor-Blockierer wegen „Störung öffentlicher Betriebe“. Dabei soll nicht nur der Bahnhof aufgesucht, sondern auch die Bezirksregierung und die Polizeieinsatzzentrale gestört werden.

„Region-aktiv“ heißt es dann in Göhrde. „Die Menschen, die dort leben, werden ihre Dörfer zu ‚Widerstandsnestern‘ verwandeln“. berichtet Elisabeth Krüger. Da Widerstand-Camps verboten werden, werden Einheimische wieder Wohnungen und Scheunen zur Verfügung stellen.

Viel vorgenommen haben sich die AktivistInnen von „Widersetzen“. „Wir sind beim letzten Mal auf die Schienen gekommen, und das wird auch dieses Jahr nicht anders sein“, prohezeit Jutta von dem Bussche – wenn auch die Strecke diesmal aus Asphalt bestehen könnte. Denn mit der Aktion „Igel und Hase“ soll demonstriert werden, dass der Widerstand schlauer ist als die Polizeikohorten. Und daher sind Straßenblockaden nach der Castor-Verladung in den Wendland-Dörfern Grippel, Gusborn oder Langendorf geplant. Jochen Stay von „X 1000 mal quer“ kündigt Unterstützung seiner AktivistInnen für Blockaden auf Straße und Schienen zu.

Den Auftakt bildet am Samstag um 13 Uhr in Dannenberg eine große Demonstration, die vom Republikanischen Anwaltsverein angemeldet ist und auf der der Bürgerrechtler Rheinhard Mokros, Vorsitzender der Humanistischen Union, über die Aushebelung der Grundrechte durch die Polizei sprechen wird. Denn selbst der bisherige Castor-Einsatzleiter, Hans Reine, meinte vor wenigen Tagen, so könne es nicht weitergehen. Wenn 13.000 Polizisten Jahr für Jahr im Wendland einmarschieren, käme es gleich, wenn eine Million Polizisten nach Berlin abkommandiert werden. Ehmke sarkastisch: „Unser Recht auf Versammlung und körperliche Unversehrtheit wird immer wieder ausgehebelt, damit der Zeitplan für die Müllabfuhr eingehalten wird.“