: Abschuss von Flugzeugen geregelt
Koalition einigt sich auf neues Luftsicherheitsgesetz: Bundeswehr darf Flugzeuge vom Himmel holen, wenn sie als Waffe eingesetzt werden. SPD belohnt Zustimmung des Koalitionspartners mit der Berufung des grünen Datenschutzbeauftragten
von CHRISTIAN RATH
Die Bundeswehr soll künftig gekaperte Flugzeuge abschießen dürfen, wenn diese von Terroristen als Waffe eingesetzt werden. Das sieht der Entwurf für ein Luftsicherheitsgesetz vor, der der taz vorliegt. Heute soll das Bundeskabinett über das Vorhaben beraten.
Die Politik reagiert damit auf die Anschläge vom 11. September 2001, als islamistische Terroristen mit entführten Passagiermaschinen das World Trade Center und das Pentagon angriffen. In Deutschland spitzte sich die Diskussion zu, als im Januar ein verwirrter Student stundenlang mit einem Kleinflugzeug über der Frankfurter City kreiste. Der Mann konnte über Funk zur Aufgabe überredet werden. Verteidigungsminister Peter Struck forderte dennoch ein Gesetz, um die bestehende „Rechtsunsicherheit“ zu beenden.
Seit Monaten berieten SPD und Grüne in einer Arbeitsgruppe über einen Gesetzentwurf aus Otto Schilys Innenministerium. Demnach ist nun vorgesehen, dass die „Einwirkung mit Waffengewalt“ nur zulässig ist, wenn „nach den Umständen davon auszugehen ist, dass das Luftfahrzeug gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden soll und sie das einzige Mittel zur Abwehr dieser gegenwärtigen Gefahr ist“. Mit dieser Formulierung haben die Grünen erreicht, dass Flugzeuge, die aus anderen Gründen wie etwa Treibstoffmangel in bewohnten Gebieten abzustürzen drohen, nicht von der Bundeswehr abgeschossen werden dürfen. Schließlich kann die Crew hier selbst noch Manöver zur Vermeidung von Schäden einleiten.
Der Einsatz von Waffengewalt ist an mehreren Stellen als letztes Mittel bezeichnet. Vorher soll versucht werden, das Flugzeug abzudrängen oder mittels Warnschüssen zur Abkehr zu zwingen. Die Befehlsgewalt soll beim Verteidigungsminister liegen. Neben diesen heiklen Passagen enthält das Gesetz vor allem Regelungen zur Sicherheitsüberprüfung auf Flughäfen.
Da an einigen Stellen des Entwurfs auch Landesbehörden erwähnt sind, könnte die Union darauf pochen, dass das Gesetz die Zustimmung des Bundesrats benötigt. In diesem Fall wollen SPD und Grüne die fraglichen Regelungen in ein separates Gesetz auslagern. Die Regierungsfraktionen wollen auf keinen Fall mit der Union über den heiklen Kompromiss verhandeln.
Deshalb soll das Gesetz auch ohne Grundgesetzänderung verabschiedet werden. In der Verfassung sei bereits eine Möglichkeit zum Einsatz der Bundeswehr bei „Unglücksfällen“ enthalten, so Rot-Grün. Gut möglich, dass die Union gegen diese Neuinterpretation des Grundgesetzes das Verfassungsgericht anruft.
Mit der Einigung über das Luftsicherheitsgesetz ist nun auch der Weg frei für den designierten neuen Datenschutzbeauftragten Peter Schaar (Grüne). Nach taz-Informationen soll auch über ihn am Mittwoch im Kabinett beraten werden. Die Wahl würde dann im Laufe des November im Bundestag erfolgen. Die Amtszeit seines Vorgängers Joachim Jacob endete bereits im Juli.