: Die billigen Gangster
Die philippinische Presse gilt als eine der freiesten in Asien – dennoch sind dort allein in diesem Jahr bereits sechs Journalisten ermordet worden
aus Manila CLAUDIA BLUME
Beim dritten Versuch waren die Mörder erfolgreich: Jun Porras Pala, einer der beliebtesten Radiomoderatoren der südphilippinischen Stadt Davao, wurde Ende Oktober von Unbekannten auf offener Strasse erschossen. Pala hatte in den vergangenen beiden Jahren bereits zwei Mordversuche überlebt. Der Journalist, der als einer der schärfsten Kritiker des Bürgermeisters von Davao, Rodrigo Duterte, galt, war überzeugt, dass Duterte ihm nach dem Leben trachtete. Pala ist bereits der sechste Journalist, der in diesem Jahr in den Philippinen ermordet wurde.
Seit dem Ende der Marcos-Diktatur 1986 gilt die Presse in den Philippinen als eine der freiesten in Asien. Dennoch sind seitdem 42 Journalisten in Ausübung ihres Berufs getötet worden. Eine so hohe Zahl, dass die Menschenrechtsorganisation „Reporter ohne Grenzen“ die Philippinen als eines der gefährlichsten Länder der Welt für Journalisten bezeichnet. Die meisten wurden ermordet, nachdem sie lokale Größen in Politik, Militär oder Wirtschaft kritisiert hatten. Nicht alle von ihnen waren jedoch investigative Reporter, die sich auf einem gerechten moralischen Feldzug befanden.
Vor allem in der philippinischen Provinz, wo Reporter meist unterbezahlt und schlecht ausgebildet sind, ist die Berichterstattung häufig schlecht recherchiert und nicht selten persönlich und beleidigend, weil das die Quote erhöht.
„Wenn der Ruf eines Politikers oder Geschäftsmanns erst mal ruiniert ist,“ erklärt Red Batario vom „Center for Community Journalism and Development“, „ist es für ihn einfacher und billiger, einen Gangster anzuheuern, der den Journalisten für immer zum Schweigen bringt, als eine Verleumdungsklage einzureichen.“ Außerdem seien sich mächtige Geschäftsleute und Politiker in den halb feudalistischen Provinzen sicher, dass sie ungestraft davonkommen, weil sie Polizisten dafür bezahlen, ihre Spuren zu verwischen.
Tatsächlich ist bisher kein einziger Mordfall an einem Journalisten in den letzten 17 Jahren aufgeklärt worden. Einer der Gründe dafür war bisher die geringe öffentliche Empörung über die Morde – sogar unter Journalisten. „Zum einen denken viele, dass es eben ein Berufsrisiko ist oder dass sie es sogar verdient haben“, sagt Melinda Quintos de Jesus vom „Center for Media Freedom and Responsibility“. „Außerdem werden hier ständig Menschen erschossen.“
Die Ermordung des Journalisten Edgar Damalerio in der Provinz Zamboanga im Mai vergangenen Jahres löste zum ersten Mal eine gemeinsame Aktion philippinischer Medienvertreter gegen die Journalisten-Attentate aus. Die Tageszeitung Philippine Daily Inquirer veröffentlicht seitdem täglich einen „Countdown für die Gerechtigkeit“ – mit einem Foto des flüchtigen Mörders, einem Polizisten, und der Zahl der Tage seit Damalerios Tod.
Die Ermordung des Journalisten löste auch die Gründung eines „Freiheitsforums für philippinische Journalisten“ aus, dem viele wichtige Medienorganisationen wie der Rundfunkverband oder das „Zentrum für investigativen Journalismus“ angehören. Das Forum will mehr Öffentlichkeit schaffen, Druck auf Politiker und Polizei ausüben, Mordfälle recherchieren lassen und die Hinterbliebenen der Ermordeten unterstützen. In einem Brief an das Innenministerium kritisierte die Organisation die Unfähigkeit der Regierung, die Mörder von Journalisten zu verfolgen und zu bestrafen.
„Aber noch etwas ist wichtig, um Journalistenmorde zu verhindern“, sagt Melinda Quintos de Jesus, eine der Mitbegründerinnen des Forums. „Wir müssen Journalisten vermitteln, dass sie verantwortlicher arbeiten und besser recherchieren müssen – und dass sie kritisieren können, ohne gleich zu beleidigen.“
Der jüngst ermordete Jun Porras Pala war selbst ein extremes Beispiel. Der Expolizeireporter war Mitte der 80er-Jahre Sprachrohr antikommunistischer Todesschwadronen und rief übers Radio zur Jagd auf mutmaßliche Kommunisten auf. Später kandidierte er selbst als Politiker – ohne Erfolg.