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Archiv-Artikel

Keine Brücken nach Brandenburg

Die Verschiebung der Länderfusion sei provinziell, schimpfen Regionalplaner. Ohne die Vernetzung von wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Potenzialen werde die Region noch weiter zurückfallen

VON UWE RADA

Kaum im Amt, da wird der neuen Brandenburger Landesregierung auch schon ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Das Abrücken der SPD-CDU-Koalition von der Länderfusion, sagte gestern der Leiter des Instituts für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) in Erkner, Karl-Dieter Keim, sei eine denkbar schlechte Weichenstellung für die Zukunft der Region Berlin und Brandenburg. Keim wörtlich: „Das ist ein provinzielles Vorgehen, das dem Metropolenraum und seinen Potenzialen nicht gerecht wird.“

Was Keim und die Mitarbeiter seines Instituts zu dieser ungewöhnlich deutlichen Kritik gebracht haben, ist die Überzeugung: Nur durch eine Länderehe könne die Vernetzung von wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Potenzialen vorangetrieben werden, die im europäischen Standortwettbewerb lebensnotwendig sei. Wenn dagegen Konkurrenz das Verhältnis beider Länder zueinander bestimme, würden Berlin wie Brandenburg in Zukunft noch weiter an Boden verlieren.

Als Beispiel, wie eine europäische Region an Dynamik gewinnen kann, nannte Keim, dessen Institut seit Jahren die räumliche Entwicklung von Regionen erforscht, die Öresundregion. Mit der im Juli 2000 fertig gestellten neuen Brücke hätte sich zwischen Kopenhagen und Malmö ein Wirtschaftsraum herausgebildet, der inzwischen zu den dichtesten in Europa gehöre. „150 Universitäten und 500 Hightechunternehmen arbeiten dort systematisch zusammen“, so Keim. In Berlin und Brandenburg dagegen hätten bislang nur Unternehmen aus der Biotechnologie das Potenzial grenzüberschreitender Zusammenarbeit begriffen.

Wie wichtig „wissensbasierte Institutionen“ wie Unis, aber auch außeruniversitäre Forschungseinrichtungen inzwischen für die Entwicklung von Städten und Regionen sind, zeigte IRS-Mitarbeiter Ulf Matthiesen am Beispiel von Jena auf. „Durch die Konzentration von Forschungseinrichtungen in der Innenstadt ist inzwischen eine kritische Masse überschritten worden“, meinte Matthiesen. „Es hat sich ein Spirit von Jena entwickelt.“ Ganz anders dagegen Frankfurt (Oder). Die Verstreuung der Wissensstandorte über die ganze Stadt habe Frankfurt geschadet.

Doch nicht nur Brandenburg bekam gestern eine glatte Fünf von den Wissensexperten, sondern auch der Berliner Senat. „Wissenschafts- und Kultursenator Thomas Flierl“, sagte Matthiesen, „hat noch immer nicht begriffen, welche Potenziale in den Hochschulen der Stadt und Standorten wie Adlershof liegen.“ Eine weitere Vernetzung der Wissensinstitutionen mit der Industrie sei aber notwendig, um eine für Berlin so typische Lücke zu schließen, die Matthiesen folgendermaßen formuliert: „Was Grundlagenforschung angeht, ist Berlin Spitze, aber kaum eine der neuen Ideen wird am Ende auch produktreif.“

Eine Länderfusion würde nach Ansicht der Experten aus Erkner beiden Bundesländern nutzen, weil dann für die Metropolenregion Berlin und Umland wie auch für entferntere Regionen wie die Uckermark speziell zugeschnittene Konzepte entwickelt werden könnten. Doch bislang ist das genaue Gegenteil der Fall. „Vor Ort werden noch immer schematische Regionalpläne entwickelt, die von der gleichartigen Entwicklung von Räumen ausgehen“, sagte Matthiesen. Und Institutsleiter Keim ergänzte: „Im Grunde müsste man den soeben fertig gestellten Landesentwicklungsplan Brandenburg völlig neu überarbeiten, weil er nicht der Tatsache Rechnung trägt, dass sich Räume inzwischen ungleich entwickeln.“