Ein Herz für Kinder

Gustav Gans, Puh der Bär, Krümelmonster, Mickymaus: Sie alle waren Gast bei den Beginnern im ColumbiaFritz

Ratlosigkeit vor dem ColumbiaFritz. Es ist das alte Problem mit den Karten. Marcus, eigentlich ein glücklicher Junge an diesem Abend, raucht hastig eine starke Lucky. Vielleicht hüpft das Glück gleich aus dem Busch. Sarah, das schöne blonde Mädchen, ist nämlich hier. Ist Marcus gefolgt und mitgekommen zu den Beginnern, die in wenigen Minuten auf die Bühne gehen werden. Jetzt aber steht sie etwas abseits mit einer Freundin, raucht auch und ignoriert beleidigt Marcus’ Versuche, irgendjemand eine Karte abzuquatschen. Geld soll kein Problem sein, denn das Konzert ist ausverkauft und es gibt keine Karte für Sarah. Konzerte sind nicht gemacht für verliebte Seelen. Warum müssen Konzerte eigentlich so erwachsen sein?

Drinnen ist alles ganz anders. Psychedelisches Graffito projiziert an die Wand. Vor der Bühne steht und sitzt eine Menge entspannter Jungen und etwas weniger Mädchen, auffällig schicker gekleidet. An der Bar bestellt einer sieben Bier, ein Skater-Girl lutscht an einer Currywurst, über allem liegt ein sanftes Gras-Aroma. Noch weiter oben schwebt einer und grinst dämlich. Es ist Puh der Bär, der an einer langen Leine und mit einer Menge Gas im Bauch die beste Sicht auf alles hat. „Habt ihr Bock auf die Beginner?“, schreit der MC, aber der soll mal still sein, „Wir woll’n die Beginner seh’n“, skandiert ein kräftiger Kopf unter einem gut eingetragenen Basecap zurück.

Der Bühnenvorhang fällt, breite aufgeblasene Buchstaben schreiben „Beginner“ als Deko, und Deutschlands verdienteste Hip-Hop-Stars springen nach vorne. DJ Mad ist hinten an den Turntables, Denyo und Jan Eißfeldt hüpfen lustige Figuren in die Menge. Beide tragen sie Gefängniskleidung, nur verkehrt, schwarzer Streifen dick, weißer dünn. Los geht’s. Ein Meer der Arme. Schnell wird es warm. Fein justiert ist der Sound, nichts knallt zu laut ins Ohr. Der Junge hinter dem Mischpult zieht sich eine Monstertüte in die Lungen. Jan und Denyo posen ihre neuen Handys und spielen sich Klingeltöne vor. Werfen Gustav Gans, die neue Single, in die Menge. Körper in pinken Sesamstraßen-Kostümen wackeln auf die Bühne, willkommen im Kinderzimmer-Wonderland. Groove, Move, tight und bright. Marcus hat es geschafft. Sarah steht vor ihm, sein Arm um ihren Hüfte. Ihre Gesichter rote Sonnen.

Nur einer überlebt den Abend nicht. Zwei Jungen inhalieren den Inhalt von Puhs Körper. Ihre Stimmen spielen Mickymaus, sie lachen sich nah an den Tod.

HENNING KOBER