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Archiv-Artikel

Zach lobt sich

Deutschland trotz der Eishockey-Großmacht Kanada ein 2:2 ab. Allerdings ist Kanada gar nicht Kanada

Frau Gracia wäre fast ein Superstar geworden. Bei der Casting-Show auf RTL klappte es zwar nicht so ganz, aber letztendlich ist das egal. Denn Gracia ist jetzt dennoch berühmt genug, um vor Eishockey-Länderspielen die Nationalhymnen singen zu dürfen – obwohl sie es nicht kann. Das wiederum bekamen die 16.500 Zuschauer am Mittwochabend in der Kölnarena deutlich zu hören. Nachdem ihr schräger Vortrag beendet war, sollte es besser werden, so hofften es zumindest alle. Denn die Nationalteams aus Deutschland und Kanada gingen aufs Eis. Kanada! Gretzky! Mutterland des Eishockeys! Das klingt nach Superstars auf Eis – und so wurde auch für die Partie geworben: Der Weltmeister und Olympiasieger kommt – hieß es.

Natürlich stimmte das nicht. Das kanadische Team bestand wie das deutsche hauptsächlich aus Spielern, die sich in der Deutschen Eishockey-Liga Woche für Woche die Pucks um die Ohren schlagen. So spielten fünf Eisbären aus Berlin bei den Kanadiern, zwei bei den deutschen, ein Kölner Hai für die Gäste, sechs auf deutscher Seite. Einer der besten Deutschen war zudem ein Kanadier, der gerade Deutscher geworden ist. Rob Leask nämlich, einer der Eisbären. Entsprechend endete das DEL-Betriebsfest, das der Vorbereitung auf den Deutschland-Cup am Wochenende diente, mit einem friedlichen 2:2.

Der deutsche Verteidiger Lasse Kopitz war dennoch ein bisschen stolz. Und der Eistiger aus Nürnberg brachte den besonderen Charakter der Partie in präziser Analyse auf den Punkt: „Die Kanadier wollten auf keinen Fall gegen uns Deutsche verlieren, denn dann hätten sie sich in ihren Vereinen etwas anhören müssen.“ Kopitz hatte Recht: Kanada tat genau so viel wie nötig, um nicht zu verlieren. Hätte Deutschland allerdings einen Supertorjäger gehabt, dann wäre der von Kopitz beschriebene peinliche Fall für die Kanadier wohl doch eingetreten.

Doch ungeachtet allen Fortschritts im deutschen Eishockey – für das Toreschießen sind in der DEL in der Regel eben die Kanadier zuständig. Unter den ersten 15 Spielern des Topscorer-Rankings ist lediglich ein Deutscher vertreten, nämlich der Düsseldorfer Daniel Kreutzer. Aber auch dem wollte diesmal kein Tor gelingen.

Wie er standen frei vor dem Kasten auch die Kollegen: Stefan Ustorf, Tino Boos, Tobias Abstreiter, Andreas Morczinietz – fast jeder durfte mal aufs Tor von Frederic Chabot (noch ein Eistiger aus Nürnberg) zielen. Es trafen jedoch nur: Stephan Retzer (Kassel) und Thomas Greilinger (Nürnberg).

Zum wertvollsten Spieler Deutschlands wurde der Eisbär Leask gewählt, was sicher auch als Motivationshilfe für den 32 Jahre jungen Debütanten im deutschen Team gedacht war. Zuvor zeigte Leask, was er in Kanada gelernt hat: Eine fehlerfreie Verteidigung. Danach verriet er, wie man deutscher Nationalspieler wird. „Als meine Frau sagte, der Bundestrainer ist am Telefon, dachte ich, sie will mich verarschen“, erzählte er. Denn: „Am selben Tag stand in der Zeitung, dass Hans Zach keine älteren, eingebürgerten Ausländer haben will.“

Nur gut, dass auch der Bundestrainer, gebürtig in Bad Tölz, bisweilen nach dem beckenbauerschen Prinzip handelt, das da lautet: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“. Auf eine Diskussion über die Qualität des Gegners wollte sich Zach, der am Mittwoch sein 100. Länderspiel leitete, nicht einlassen. Für ihn sind Kanadier qua Geburt talentierter und technisch besser als deutsche Spieler. Und so rühmte er „den Kampfgeist und den Einsatz“ seiner Spieler, mit dem sie dem starken Gegner ein Remis abgerungen hätten. Und irgendwie lobt Hans Zach sich dabei auch immer ein wenig selbst, dafür nämlich, dass er eine so tolle Mannschaft geformt hat. CHRISTIANE MITATSELIS