Maurenführer im Sandsturm

Bei Mauretaniens Wahlen könnte heute eine erstarkte Opposition gegen Amtsinhaber Taya punkten. Beziehungen zu den USA und Israel sorgen für Streit

BERLIN taz ■ Früher waren Präsidentschaftswahlen in Mauretanien unspektakulär. Wenn es überhaupt welche gab, gewann sie der Präsident haushoch. Diesmal könnte eine unerwartet lebendige Opposition Präsident Maawiya Ould Taya in die Stichwahl zwingen und das Land in die Ära des politischen Pluralismus eintreten lassen.

Taya, der als Militärdiktator an die Macht gekommen war und in den 90er-Jahren eine Mehrparteiendemokratie einführte, steht in der Defensive gegenüber seinem Vorgänger Mohammed Khouna Ould Haidallah, den er 1984 weggeputscht hatte. Der, ebenfalls Exdiktator und heute 70 Jahre alt, ist heute Kandidat einer bunten Koalition, die von Maoisten bis zu Islamisten reicht, und die bei Wahlveranstaltungen in der Hauptstadt Nouakchott großen Zulauf erhalten hat. Zusammen mit anderen Regierungsgegnern kritisiert sie vor allem Tayas Anlehnung an den Westen. Unter Taya nahm Mauretanien diplomatische Beziehungen mit Israel auf und stellte sich an die Seite der USA im Kampf gegen den Terror. Angesichts der wachsenden Instabilität in der Sahararegion, auf die vor wenigen Monaten das Geiseldrama im Grenzgebiet von Algerien und Mali ein Schlaglicht warf, ist Mauretanien dabei durchaus wichtig.

Doch innenpolitisch führt das zu Problemen. Am 8. Juni scheiterten unzufriedene Militärs, die Islamisten sowie den einst in Mauretanien starken Sympathisanten der panarabischen Baath-Ideologie von Saddam Hussein nahe stehen, nur knapp mit einem Putschversuch. Seither bestimmen Massenverhaftungen von Islamisten und bevorstehende Prozesse gegen die Putschisten das politische Leben. Menschenrechtsorganisationen und Oppositionelle nehmen eine Einschränkung von politischen Freiheiten wahr und fürchten Wahlbetrug. Sie rufen nun dazu auf, den Wahlvorgang genau zu beobachten. Ihr Vorbild: Der historische demokratische Machtwechsel in Senegal im März 2000.

Das ist eine neue Situation für ein Land, dessen Gesellschaft bei der Unabhängigkeit 1960 noch vom Machtgefälle zwischen den traditionell herrschenden arabisch-maurischen Nomadenclans, ihren schwarzen Sklaven und rechtlosen schwarzafrikanischen Bevölkerungsgruppen an der senegalesischen Grenze geprägt war. Unter Taya hat Mauretanien mit heute 2,5 Millionen Einwohnern eine Urbanisierung und Modernisierung im Schnelldurchlauf erlebt und hofft nun auf den ökonomischen Aufschwung durch Ölfunde vor der Küste im Atlantik. Eine städtisch geprägte, konfrontative politische Kultur tritt allmählich an die Stelle der bisherigen Clankungelei. Auftrieb erhält dabei vor allem ein modernisierender Reformislam, der die alte Praxis der Sklaverei ebenso geißelt wie die Vernachlässigung des Bildungswesens.

Aus dieser Entwicklung ergeben sich politische Konfrontationen, und die Wahl treibt sie nun auf die Spitze. Am Montag durchsuchte die Polizei sieben Stunden lang die Residenz des Oppositionsführers Haidallah und verhaftete am Dienstag zwei seiner Söhne, woraufhin es am Mittwoch zu Protestmärschen in Nouakchott kam, gegen die Tränengas eingesetzt wurde. Die Behörden behaupten, Haidallah wolle in Mauretanien ein Szenario wie in der Elfenbeinküste herbeiführen: Dort sorgte bei der Wahl vom Oktober 2000 Oppositionsführer Laurent Gbagbo mit Massenprotesten dafür, dass Militärherrscher Robert Guei seine Wahlniederlage eingestand und ins Exil ging. Die implizite Drohung: Da sieht man, wohin übereifrige Demokratiebegeisterung führt. Denn heute ist die Elfenbeinküste Bürgerkriegsland.

DOMINIC JOHNSON