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Archiv-Artikel

Union will nicht ins rechte Licht

Hohmann-Affäre: CDUler wollen nicht unter „Generalverdacht“ stehen, antisemitischem Gedankengut anzuhängen.In der CDU-Zentrale gehen viele Anrufe und E-Mails ein: Die Mehrzahl zeige „Zustimmung“ zu Hohmanns Äußerungen

aus Berlin LUKAS WALLRAFF

Angriff ist die beste Verteidigung – nach diesem Motto versucht die Führung der Unionsfraktion den Vorwurf der SPD zu entkräften, in ihren Reihen gebe es viele Abgeordnete, die mit dem Gedankengut des Abgeordneten Hohmann sympathisierten.

„Es ist einfach unanständig, eine ganze Gruppe unter Generalverdacht zu stellen“, sagte der Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) der taz. Obwohl sich die Parteiführung bereits „eindeutig“ von Martin Hohmanns antisemitisch gefärbter Rede distanziert und den Abgeordneten gerügt habe, werde der Fall nun zum Anlass genommen, um die Union in ein rechtes Licht zu rücken.

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Wilhelm Schmidt hatte gesagt, er sei sich „absolut sicher“, dass Hohmann „kein Einzelfall“ in der Union sei. Eine Behauptung, die Bosbach für „groben Unfug“ hält. Die Vorwürfe gegen die Union seien durch nichts belegt. „Oder ist es für Herrn Schmidt schon nicht mehr hinnehmbar, wenn jemand eine andere Meinung als die SPD hat?“ Wenn Schmidt konkrete Erkenntnisse über nicht tolerierbare Äußerungen von Unionspolitikern habe, müsse er „Ross und Reiter nennen“. Andernfalls sollte er „die Klappe halten“.

Schmidt reagierte auf die Kritik an seinen Behauptungen gestern mit einer Presseerklärung. Darin heißt es, Frau Merkel sollte „die Merkwürdigkeiten beenden, die sich in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zeigen“. Als Beleg führte er eine Aussage Hohmanns an, wonach „ein recht großer Prozentsatz der Fraktion“ ähnlich denke wie er. Dass Hohmann dies „nicht ohne konkreten Hintergrund“ gesagt habe, hätten zwei Äußerungen aus den letzten Tagen gezeigt. So habe der CSU-Abgeordnete Hans Raidel den Bundeswehrgeneral Reinhard Günzel verteidigt, der wegen seiner Unterstützung für Hohmann entlassen wurde. Günzel sei „kein Rechtsradikaler“, so Raidel, sondern „ein Mensch mit Grundsätzen“. Als zweites Beispiel nannte Schmidt den CSU-Politiker Norbert Geis, der Günzels Entlassung kritisierte. Von Fraktionschefin Merkel verlangte Schmidt eine „konsequente Beendigung solcher Haltungen in der Grauzone der CDU/CSU-Bundestagsfraktion“.

Die nachsichtige Haltung der Unionsspitze gegenüber Hohmann sorgt auch in den eigenen Reihen für Streit. So forderte der Chef des mitgliederstärksten CDU-Bezirks Ostwestfalen-Lippe, Elmar Brok, schärfere Konsequenzen. „Leute wie Herr Hohmann haben keinen Platz in unserer Partei“, sagte der Europaparlamentarier der Bild-Zeitung. „Sie bedienen alte antisemitische Vorurteile.“ Der außenpolitische Sprecher der Union, Friedbert Pflüger (CDU), verteidigte dagegen in der Berliner Zeitung den Verbleib Hohmanns in Partei und Fraktion: „Frau Merkel hat den Fall konsequent, schnell und richtig behandelt.“

Fraktionsvize Bosbach erklärte, man werde es zunächst bei der Rüge belassen. Eine „neue Lage“ ergebe sich erst, wenn gegen Hohmann Anklage vor einem Gericht erhoben werde „oder falls er etwas verschwiegen hat, was wir wissen sollten“.

Aus der CDU-Parteizentrale hieß es gestern, „wir haben viele, viele E-Mails und Anrufe bekommen“. Die Mehrzahl gehe „in Richtung Zustimmung für Hohmann“. Ein Parteisprecher betonte jedoch, diese Meinungen seien „sicher nicht repräsentativ für die breite CDU-Wählerschaft“.