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Archiv-Artikel

Othello in der Kabinettrunde

Michael Helle hat in Aachen Shakespeares Othello in der Übersetzung von Werner Buhss inszeniert. Heraus gekommen ist ein spannendes Gebilde, das an Aktualität und Sprachmächtigkeit nichts vermissen lässt

Von ganz unten kommen sie ans Tageslicht, die Weltenlenker aus Shakespeares Othello. Wie eine Kabinettrunde im Kanzleramt sitzen die Anzugträger vor einer schwarzen Wand, die langsam vor den Nasen der Zuschauer nach oben fährt. Als die Krawatten-Helden den Mund aufmachen, um in flottem Schlagabtausch erst Privates und dann die aktuelle Situation, den Kampf gegen Weltfeind Nr. 1, durchzupauken, sitzt der Zuschauer schon mitten drin in einer Story, die aktueller und spannender kaum sein könnte.

Denn Regisseur Michael Helle hat sich einer Othello-Übersetzung bedient, die an deftiger Deutlichkeit, an Shakespearescher Wortspielerei und Sprachfreude, an Humor und absolut heutiger Begrifflichkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Werner Buhss gelang vor neun Jahren diese kongeniale Übertragung der alten Dichtung, die in der Aachener Inszenierung ihre volle Kraft entfalten kann.

Konzentriert auf die Sprache, den Text sinnvoll gekürzt auf eine verdauliche Länge von gut zwei Stunden, lässt Helle seine hervorragend agierenden Schauspieler in reduziertem und wohlkalkuliertem Spiel gegeneinander antreten, um zwischendurch effektvolle Pointen und Symbole zu setzen. Othello, mit weißer Haut und noch weißerem Anzug, findet auf seinem Stuhl eine Banane vor, deren Tauglichkeit als Gitarre, Penis oder Revolver er kurz überprüft, und die doch eindeutig seine Herkunft aus dem Land der Affen symbolisiert. Als er sich am Ende zum Richter über Desdemona aufschwingt, färbt er sich den Kopf tiefschwarz mit Schuhcreme und outet sich als das, wofür er immer schon gehalten wurde.

Glaubwürdig und mit zunehmender Spannung entwickelt sich das Eifersuchtsdrama zwischen Othello und Desdemona in dem schlichten rotausgeschlagenen Bühnenrund, in das Ausstatter Achim Römer nur ein modernes, graues Sofa gestellt hat. Denn Karl Walter Sprungala spielt den Katastrophenlenker Jago als fiesen, intelligenten und mit allen Wassern gewaschenen Politstrategen, der andere mit verbalem Fingerspitzengefühl und sadistischem Vergnügen vernichtet. Dadurch wird deutlich, warum er den erfolgsverwöhnten, von Christian Schulz als selbstbewusst-lässigen Typen dargestellten Othello so präzise an seinem wunden Punkt – der Liebe zu Desdemona – treffen kann. Ein humorvolles Gegengewicht zur dramatischen Entwicklung des Stückes etabliert Daniel Drewes in der Nebenrolle des Rodrigo. Sein amüsantes Spiel sichert ihm am Ende einen Sonderapplaus des Publikums.

STEFANIE TYROLLER

heute, 7., 12., 27. und 30.11.Theater Aachen, Großes HausKarten: 0241-4784244