piwik no script img

Archiv-Artikel

Kleine Freiheit hinter den Mauern

Nicht zum ersten Mal wird eine Wohnanlage für Ausländer zum Anschlagsziel. Diesmal traf es Experten aus anderen arabischen Ländern. Zuvor gab es Terrorwarnungen aus Washington und London

Von B.S.

BERLIN taz ■ Bei der Muhaja-Wohnanlage in der saudischen Hauptstadt Riad, die am Samstag Ziel von Selbstmordanschlägen wurde, handelt es sich um eine der typischen Unterkünfte für Fachkräfte aus anderen Ländern. Hinter hohen, von außen nicht einsehbaren Mauern haben die Experten so wenigstens in ihrer Freizeit die Möglichkeit, dem strengen wahhabitschen Verhaltenskodex auszuweichen, der das öffentliche Leben in Saudi-Arabien bestimmt. Männer und Frauen – viele bringen ihre Familien mit – können sich leger kleiden, gemeinsam im Pool schimmen gehen und sogar Alkohol trinken.

Die Muhaja-Anlage umfasst etwa 200 Häuser. Hier leben anders als in den drei am 12. Mai angegriffen Wohnkomplexen kaum westliche Ausländer, sondern überwiegend Bürger anderer arabischer Staaten – vor allem aus dem Libanon, aber auch aus Syrien und Ägypten sowie Palästinenser. Viele einheimische Fachkräfte, die zudem oft ihre Ausbildung in westlichen Ländern absolviert haben, ziehen ebenfalls die begrenzte Freiheit hinter den Mauern vor. Neben mehreren saudischen leben in Muhaja auch europäische Familien und einige US-Bürger. Laut dem britischen Rundfunksender BBC waren hier früher Angestellte von Boeing aus westlichen Ländern untergebracht.

Über die Hintergründe des Anschlags, der seitens der saudischen Behörden al-Qaida zugeschrieben wird, ist bislang nichts bekannt. Außerdem ist unklar, warum die Attentäter eine Anlage ausgewählt haben, in der mehrheitlich Araber leben. Möglicherweise gingen sie davon aus, dass in Muhaja Bürger westlicher Staaten wohnen. Vielleicht verfolgten die Attentäter aber auch das Ziel, sich an der saudischen Regierung zu rächen und das Land zu destabilisieren. Denn am Dienstag vergangener Woche stürmten saudische Sicherheitskräfte in Mekka einen Unterschlupf mutmaßlicher Terroristen. Auch dem Anschlag am 12. Mai ging eine Festnahmeaktion voraus. In der Vergangenheit richteten sich Anschläge in Saudi-Arabien meist gegen westliche Ausländer.

Zuvor hatten die USA eine Terrorwarnung für Saudi-Arabien ausgegeben. Es gebe „zuverlässige Informationen“, wonach Terroristen bei der Vorbereitung von Anschlägen im Königreich von der Planungsphase in die operative Phase eingetreten seien, teilte die US-Botschaft in Riad am Samstag mit. Die US-Vertretungen in der Hauptstadt sowie in Dschiddah und Dhahran wurden geschlossen. Das britische Außenministerium erklärte, in den Golfstaaten Bahrain und Katar bestehe ein „hohes Risiko“ von Anschlägen auf westliche Ziele, für Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate wurde vor einer „erheblichen Gefahr“ gewarnt. B.S.