: Studiengebühr: ja oder nein?
Abhängigkeit hilft nicht weiter
Nach langen ideologischen Streits um das Ob scheint es endlich möglich zu sein, sachlich über das Wie der Einführung von Studienbeitragsmodellen zu streiten. Jetzt hat die taz den Wettstreit der Modelle um einen Gesichtspunkt erweitert. Die Studierenden sollen über die Verwendung der Beiträge entscheiden. Überzeugen kann das nicht. Das Modell sieht mehr nach Gießkanne als nach strategischer Qualitätsverbesserung aus. Ein Preismechanismus entsteht nicht, dafür ein hohes studentisches Drohpotenzial.
Es stimmt, dass die Befreiung der Hochschulen von der Bürokratie nicht in einer neuen Abhängigkeit etwa von der Wirtschaft enden darf. Genauso wenig kann es richtig sein, dass die Hochschulverantwortlichen künftig auf das Wohlwollen der Studierenden angewiesen sind. Es ist richtig, dass die Hochschulen bei der Gestaltung ihres Lehrangebots stärker auf die Bedürfnisse der Studierenden eingehen müssen. Doch sollte man sich dazu auf die Marktregeln von Angebot und Nachfrage verlassen und keine verwaltungsintensiven Sondertöpfe schaffen.
Erstaunlich wenig findet sich in dem taz-Modell zum Thema Sozialverträglichkeit. Es heißt nur, dass die Studierenden die soziale Gestaltung der Gebühren garantieren. Welches Interesse sollte daran aber die Mehrheit der heute Studierenden haben, die bekanntlich aus besser gestellten Familien kommen? Hier empfehlen wir, einen Blick in das BDA-Modell, in dem die Sozialverträglichkeit auf den zwei Säulen eines nicht rückzahlbaren Ausbildungsbudgets und eines unbürokratischen Darlehensmodells ruht. Einig wissen wir uns allerdings darin, dass kein Weg mehr an Studienbeiträgen vorbeiführt und dass diese nicht für das Stopfen von Finanzlöchern, sondern für die Lehre zur Verfügung stehen müssen.
STEFAN KÜPPER
Der Autor ist Abteilungsleiter für Bildungspolitik der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)
Kein „kleineres Übel“ wählen
Stellen wir uns doch probehalber auf den Standpunkt, Studiengebühren seien nicht mehr aufzuhalten und es komme deswegen darauf an, die „intelligentesten“ und „demokratischsten“ Varianten politisch in den Vordergrund zu stellen. Was käme heraus? Zunächst ist es ein argumentativer Zirkel, die „Unaufhaltbarkeit“ dieser Gebühren damit zu begründen, dass es in fast allen Bundesländern schon Bezahlvarianten, etwa Langzeitgebühren und Studienkonten, gibt. Jede dieser Varianten wurde damit begründet, auf diese Weise allgemeine Studiengebühren verhindern bzw. aufschieben zu können! Allein dies delegitimiert eine Politik des „kleineren Übels“, die in der Realität offenbar das jeweils „größere“ immer wahrscheinlicher macht.
Selbstverständlich gibt es am Tag X „bessere“ und „schlechtere“ Gebührenmodelle. Das ist aber eine taktische Frage, die die politische Diskussion darüber, was allen Modellen gemeinsam ist, nicht verdrängen soll. Schlagworte: Abbau öffentlicher Verantwortung für das Hochschulsystem, Privatisierung von Bildung, „Ökonomisierung“ des Bildungsverhaltens durch dessen stärkere Ausrichtung auf künftige Verwertbarkeit. Auf diese Weise wird ein möglicher – nicht marktförmig erfassbarer! – gesellschaftlicher Nutzen von Bildung eingeschränkt. Dies ist gleichzeitig ein Abbau politischer und demokratischer Gestaltungsmöglichkeiten. Dieser Schwund politischer Optionen auf gesellschaftlicher Ebene kann nicht durch ein pädagogisches Quasi-Schülermitverwaltungsmodell auf Ebene der einzelnen Hochschule – Motto: Studis entscheiden über die Verwendung „ihrer“ Gebühren selbst! – ausgeglichen werden. Die Feststellung gilt unabhängig davon, ob im besagten Einzelfall ein solches „Modell“ „besser“ ist als Gebühreneinnahmen, über die ausschließlich das Hochschulmanagement entscheidet.
TORSTEN BULTMANN
Der Autor ist Bundesgeschäftsführer des Bundes demokratischer Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen
Von den privaten Schulen lernen
Studiengebühren sind sinnvoll, wenn sie den Hochschulen zur Verbesserung der Lehre zusätzlich zugute kommen und von einem sozialverträglichen Darlehenssystem flankiert werden. Dass dies auch die taz jetzt so sieht, begrüße ich sehr. Denn nur am konkreten Modell lassen sich Chancen und Risiken von Studiengebühren abwägen. Das Beispiel der privaten Universität Witten/Herdecke zeigt, dass Gebührenmodelle nach dem Prinzip des „umgekehrten Generationenvertrags“ grundsätzlich funktionieren können. Andere private Hochschulen, u. a. die Bucerius Law School in Hamburg, haben deshalb ähnliche Modelle entwickelt. Dabei handelt es sich aber um vergleichsweise kleine, homogene Einrichtungen.
Ob Gebührenerhebung und -verwendung durch die Studierenden sich an einer großen Universität mit einem heterogenen Fächerspektrum realisieren lässt, erscheint mir zumindest zweifelhaft. Eine Beteiligung der Studierenden an den Entscheidungen über die Verwendung der Gebühren kann dagegen grundsätzlich sinnvoll sein. Wichtig ist hier aber, dass Entscheidungsfähigkeit und Geschwindigkeit nicht beeinträchtigt werden. In einem wesentlichen Punkt möchte ich dem taz-Modell aber widersprechen: Eine Mindesthöhe von Gebühren per Bundesrecht vorzugeben halte ich für falsch. Hochschulen sollten das Recht bekommen, Gebühren zu erheben – aber nicht dazu verpflichtet sein. Im Wettbewerb der Hochschulen muss sich entscheiden, welche Gebührenhöhe die einzelne Hochschule für vertretbar hält – natürlich nur, wenn diese durch sozialverträgliche Darlehen abgesichert sind. Hamburg klagt gerade mit fünf anderen Ländern gegen das Studiengebührenverbot des Bundes – weil dies aus unserer Sicht eine Überregulierung durch den Bund bedeutet. Eine Mindesthöhe vorzugeben wäre eine andere Form der Überregulierung.
JÖRG DRÄGER
Der Autor (parteilos) ist Wissenschaftssenator in Hamburg
Keine Bestechung des Asta
Der Vorschlag der taz kommt einem Bestechungsversuch gleich: Anstatt diejenigen zu vertreten, die sie gewählt haben, sollen die StudierendenvertreterInnen sich selbst mehr „Macht“ zuschanzen und ausleben. Die kollektive, in der Verfassten Studierendenschaft organisierte Gruppe der Studierenden soll sich selbst gängeln und dann nur noch durch individuelle „Kaufentscheide“ agieren und Druck ausüben können. Dabei ist der taz hoffentlich bewusst, dass ein atomisiertes Individuum mit 500 Euro oder mehr nicht in der Lage ist, als politische Kraft in der Hochschule zu agieren. Das Politikverständnis der taz lässt sich daher in die Debatte um die Agenda 2010 einordnen, die unter dem Deckmantel der „Eigenverantwortung“ grundlegende Rechte einzuschränken versucht und auf eine Individualisierung sozialer Risiken zielt.
Im konkreten Fall soll der/die Studierende das Risiko der späteren Arbeitslosigkeit und damit der „Fehlinvestition“ des Studiums selber tragen. Zudem wird den Studierendenvertretungen eine krude Rolle zugedacht. Nach der taz können diese dann entscheiden, ob sie mehr Ungerechtigkeit und Selektion wollen, indem sie die Gebühren anheben, oder eine Verschärfung der mangelhaften Ausstattung der Hochschulen in Kauf nehmen. Vor diese Alternativen gestellt, dürfte sinnvolle politische Arbeit kaum noch leistbar sein. Das taz-Modell schiebt den Asten dann die Verantwortung für das zu, was politisch in der Vergangenheit falsch gelaufen ist, und macht sie so zum Totengräber eines öffentlich finanzierten Bildungssystems mit gesamtgesellschaftlicher Perspektive. Die Asten werden auch in Zukunft für ein besseres, gerechteres und weniger selektives Bildungssystem kämpfen. Ein solches ist nur durch ausreichende und ausschließliche Finanzierung durch die öffentliche Hand zu gewährleisten.
JANA SCHULTHEISS
Die Autorin ist Bildungspolitikreferentin des Asta der Universität Köln
Gemeinsame Fonds bilden
Vor etwa zwei Jahren fragte ich Vertreterinnen und Vertreter der Studierenden der Universität Hamburg, ob sie sich einen Fonds zur Förderung der Lehre vorstellen könnten, der aus Studierendenbeiträgen, einem Beitrag der Universität und Beiträgen aus der Wirtschaft finanziert würde. Grundlage eines solchen Studienfonds wäre eine Vereinbarung zwischen Studierendenschaft und Universitätsleitung. Sie sähe vor, dass die studentische Selbstverwaltung Studienbeiträge zur Finanzierung des Fonds beschließt und die Universitätsleitung sich verpflichtet, das Beitragsaufkommen aus Haushaltsmitteln zu verdoppeln. Gemeinsam würden Gelder aus der Wirtschaft eingeworben. Der gesamte Fonds wäre unter maßgeblicher Beteiligung der Studierenden zu verwalten.
„Dafür bekommen wir keine Mehrheit“, antworteten die studentischen Gesprächspartner. Der Vorschlag erschien ihnen jedoch diskutabel. Sollte das Bundesverfassungsgericht das Gebührenverbot aufheben, werde ich den Vorschlag wiederholen. Das taz-Modell betont die Chancen von Studienbeiträgen in studentischer Selbstverwaltung. Dagegen halte ich für wichtig, dass die Universität und möglichst auch die Wirtschaft nicht aus der Verantwortung für die Verbesserung der Studien- und Lehrbedingungen entlassen werden. Ein gemeinsam finanzierter Studienfonds hätte das mehrfache Volumen und wäre wirksamer. Er würde die Zusammenarbeit zwischen Universität und Studierenden nachhaltig fördern.
Das aus dem Fonds für Tutorien und studentische Hilfskräfte finanzierte Geld fließt zu den Studierenden zurück und begründet die Verpflichtung älterer Studierender, den Jüngeren ihr Wissen zu vermitteln. Bessere Voraussetzungen für eine neue Lehr- und Lernkultur lassen sich kaum vorstellen. Ob die Studierendenvertreter diesmal die Chance erkennen, durch eigene Initiative in die Offensive zu kommen und die Politik in Zugzwang zu bringen? Die Stiftungen und Unternehmen würden sich in Hamburg sicherlich für einen Fonds gewinnen lassen.
JÜRGEN LÜTHJE
Hamburg