3ster geht‘s nimmer

Röstfrisches Adrenalin gefällig? Mit Oma im Powerslide auf Kaffeefahrt, um am Sonntagnachmittag einer Werbetafel für Autos zu entkommen

Spätestens mit dem widerwärtigen Ziegenslogan „Geiz ist geil“ hat die Reklame das ungenierte Ausleben eines miesen Charakters als Wert an sich entdeckt. „Warum Koffein, wenn Sie auch Adrenalin haben können“, steht auf einer Werbetafel an der Berliner Elsenstraße und darunter: „Der neue Mazda 3. Einfach 3ster“. Nicht ungeschickt der Standort der Tafel, genau auf der Bezirksgrenze zwischen Neukölln und Treptow: ein Schelm, wer da nicht an übergelte Jungmänner links und rechts der alten und neuen Systemgrenze denkt, schier berstend vor parasexuellem Ungestüm, hier besonders germanisch, dort besonders orientalisch und beide vor allem eins – grenzenlos autogeil.

Adrenalin produziert der Körper des Autofahrers bekanntlich am liebsten bei rasanten Starts und Stopps, beim unverantwortlichen Heizen, beim von Herzen ausgelassenen Scheißesein. Adrenalin ist wie Kaffee, es regt an und besitzt noch einen ganz großen Vorteil: Adrenalin ist umsonst wie der Tod und muss nicht an sterbenslangweiligen Sonntagen im Verbund mit der Oma eingenommen werden.

Die Oma kann ja mitkommen. Sonntagnachmittag. Ronnie und René halten mit quietschenden Reifen vor Omas Haus in der Elsenstraße. „Mach mal hinne, Oma – wir ham nicht lang Zeit. Den Kuchen haste dabei?“ Oma klettert hinten ins Auto – und dann geht’s los, auf Kaffeefahrt. Mit 120 über die grob gepflasterte Else, dann im Powerslide in die Harzer geschmiert. 3ster geht’s echt nicht mehr – da hat der Japse wohl die Rechnung ohne Ronnie und René gemacht! Bereits in der Wildenbruchstraße hängt der Kuchen innen an der Windschutzscheibe – Oma spürt, wie das röstfrische Adrenalin durch die Adern strömt.

Nicht wenige attestieren dem Japaner ein von jeher gestörtes Verhältnis zu seinen Verkehrsmitteln: Die U-Bahn durchpustet er munter mit Giftgas, während er das Auto dem westlichen Käufer als eine Art Kaffeeersatz anpreist. „Halt ein“, mag an dieser Stelle mancher dem Autor zurufen, „reicht das denn immer noch nicht? Das Vorurteil gegen den Japaner ist der siamesische Zwilling des Vorurteils gegen den Koreaner!“

Nein, es reicht noch nicht. Es reicht erst dann, wenn Tchibo nachzieht und Trommelrevolver ins Sortiment aufnimmt – russisches Roulett hat sich schon immer glänzend bewährt, wenn es darum ging, auch noch die bleiernste Müdigkeit aus den Gliedern zu scheuchen: „Warum Kaffee, wenn Sie auch Kugeln haben können?“ ULI HANNEMANN