: Sammers Borussia leistet Aufbauhilfe
Nach ein paar Tagen Kasernierung am Tegernsee rehabilitieren sich die Bayern durch ein 4:1 gegen Dortmund
MÜNCHEN taz ■ Wer rund um den Tegernsee an Werbung für den dortigen Tourismus bastelt, konnte sich freuen: Vor, während und – vor allem – nach dem Spiel des FC Bayern München gegen Borussia Dortmund war in fast verklärter Weise oft vom voralpenländischen Idyll die Rede. Dort hatte sich die Mannschaft nach der 1:2-Niederlage in der Champions League gegen Olympique Lyon zurückgezogen – und auch wenn Trainer Ottmar Hitzfeld den vielleicht für die Tourismusbranche wenig schmeichelhaften Begriff „Kasernieren“ dafür gewählt hatte: die Bayern haben gegen Borussia Dortmund mit 4:1 gewonnen.
Ob nun Luft, Ruhe, Aussicht, gemeinsame Gruppenerlebnisse oder die laut Hitzfeld „vielen Einzelgespräche“ dafür verantwortlich waren, blieb von den Protagonisten allerdings unbeantwortet. Man könne zwar schon „reden, reden, reden“, sagte Michael Ballack. Aber: „Die Antwort müssen wir auf dem Platz geben.“ Mit Toren von Ballack selbst (27.) sowie von Willy Sagnol (50.), Hasan Salihamidzic (72.) und, kurz vor Schluss, Claudio Pizarro (90.) war die Antwort durchaus deutlich ausgefallen. Der BVB jedenfalls konnte nur kurzzeitig Hoffnung schöpfen, als Jan Koller (49.) zum 1:1-Zwischenstand traf.
Somit war Dortmund einmal mehr der geeignete Gegner für die taumelnden Bayern. Zur Erinnerung: Auch vor einem Jahr traf der damals gerade in der Champions-League-Vorrunde gescheiterte FCB auf Dortmund, gewann klar und schritt von da an ohne großartige Gegenwehr der Konkurrenten zum Meistertitel.
Die Probleme der Borussia in dieser Saison sind bekannt: 13 Spieler sind verletzt oder gesperrt, Schwächen und Unsicherheiten grassieren in allen Mannschaftsteilen. Die notgedrungen in den Kader gerückten Nachwuchstalente zeigen zwar gute Ansätze, doch Trainer Matthias Sammer, dem Euphorie oder Optimismus ohnehin meistens fremd sind, hütet sich, sie als neue Kuranyis, Hinkels oder Hankes hochzuloben. Zumal ein junger Spieler namens Markus Brzenska, gerade ins Spiel gekommen, gegen Bayern nicht durch Leistung glänzte, sondern nach zwei groben Fouls mit Gelb-Rot (43.) bestraft wurde.
Die verbliebenen zehn Akteure mühten sich tapfer, versanken aber vor allem in der Schlussphase in Hilflosigkeit. Anders als vergangene Woche beim 3:2-Sieg über den Hamburger SV und dem 2:2 in der 2. Runde des Uefa-Cups gegen den FC Sochaux blieb diesmal der Kraftakt zur Ergebniskorrektur aus. Den Dortmundern war der Substanzverlust vielmehr deutlich anzumerken. Die Bayern ihrerseits traten routiniert und geschlossen auf – Eigenschaften, die die Elf zuletzt hatte vermissen lassen. Manko war einzig die Chancenverwertung, der Sieg nämlich hätte durchaus noch höher ausfallen können.
Borussen-Coach Sammer sah sich entsprechend genötigt, seine Mannschaft zu ermahnen, jetzt nicht „in Mitleid zu versinken“. Die Ernüchterung war aber auch ihm deutlich anzumerken. Selbst wenn einige Spieler, sei es Tomas Rosicky oder Flavio Conceiçao, in absehbarer Zeit das überfüllte Lazarett verlassen können, stellt Sammer fest: „Wir haben eine gefährliche Situation, die sich nicht löst, wenn der ein oder andere Spieler zurückkehrt.“
Ottmar Hitzfeld könnte seinem ehemaligen Schützling jetzt wenigstens empfehlen, wo er die Spieler im Bedarfsfall „kasernieren“ kann. Aber der Bayern-Trainer ist immer noch vornehmlich mit seiner Elf beschäftigt, deren sonntäglichen Sieg er zwar als „unheimlich wichtig“, aber auch lediglich als „einen Schritt aus dem Tief“ bewertete. Eine Aufholjagd in der Bundesliga, das weiß Hitzfeld auch, kann eben nur funktionieren, wenn die Bayern gewinnen – und Stuttgart, Bremen und Leverkusen patzen, doch genau dazu macht besagte Konkurrenz derzeit keine Anstalten, was den Rückstand zur Tabellenspitze unvermindert bei sechs Punkten stehen lässt. So lange dem so ist, wird die Diskussion weitergehen, was denn die hochkarätigen Stars von der Isar von den laut Tabellenstand momentan besseren Teams unterscheidet. Mit dem Sieg gegen Dortmund im Rücken kann Hitzfeld diese Debatte zumindest gelassener verfolgen.
KATHRIN ZEILMANN