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Archiv-Artikel

Lienens bittersüße Heimkehr

Borussia Mönchengladbach unterliegt Hannover 96 mit 0:2 und bereitet dem Herzens-Borussen Ewald Lienen eine freudige Rückkehr. Der Druck auf die Borussia um Trainer Holger Fach wächst

Als Lienen in seiner Spielanalyse von der Borussia sprach, dann nannte er sie steril „den Gegner“

AUS MÖNCHENGLADBACHCHRISTIANE MITATSELIS

Ewald Lienen bewegte sich sehr behäbig, fast im Zeitlupentempo. Erst umarmte der Trainer von Hannover 96 seinen Assistenten Michael Frontzeck, und dann herzte er einen Spieler nach dem anderen, immer lächelnd. 2:0 hatte Hannover in Mönchengladbach gesiegt, es schien als wolle Lienen die Zeit anhalten. Vor fast genau einem Jahr war er in Mönchengladbach unehrenhaft entlassen worden. Von Rufmord und missbrauchtem Vertrauen hatte er damals gesprochen, als ihn Sportdirektor Christian Hochstätter rausschmiss, um seinen bei Rot-Weiß Essen geparkten Freund Holger Fach in Mönchengladbach als Trainer zu installieren.

Und nun glückte Lienen am Samstagnachmittag vor 43.506 Zuschauern im schönen, neuen Borussen-Stadion mit Hannover dieser, wie er lakonisch bemerkte, „nicht berauschende, aber verdiente Sieg“ über seinen ehemaligen Klub. „Es war ein besonderes Spiel. Ich hatte schon etwas Herzklopfen“, berichtete der 50-Jährige, „ich war ja noch nie in diesem fantastischen Stadion.“ Von Rache oder Genugtuung wollte Lienen nichts wissen. Das sei „alles abgehakt und verjährt“. Seine Blicke und Gesten drückten jedoch etwas anderes aus. Auf der Pressekonferenz schüttelte Lienen seinem Trainerkollegen Holger Fach wortlos die Hand, schaute dabei an ihm vorbei. Als Lienen in seiner Spielanalyse von der Borussia sprach, dann nannte er sie steril „den Gegner“, für den er selbstverständlich keinerlei aufmunternde Worte fand.

Die Gladbacher hätten ein wenig Zuspruch gut gebrauchen können nach ihrer erschütternd schlechten Leistung. „Wir haben die Tore für Hannover doch selbst geschossen. Chancen hatten die doch keine“, lamentierte Fach. Tatsächlich brauchten die Hannoveraner nicht mehr tun, als sich auf ihre Defensivarbeit zu konzentrieren und auf Fehler der offensiv ungefährlichen Borussia zu warten. Es ging ganz einfach und ganz schnell. Nach 17 Minuten legte Leandro eine lange Flanke von Krupnikovic in den Strafraum, die Gladbacher reklamierten „Aus“, anstatt zu verteidigen. Nationalspieler Per Mertesacker nutzte die Konfusion zum 0:1. Danach überwandt Steven Cherundolo eine missglückte Gladbacher Abseitsfalle zum 2:0 (35.).

In der zweiten Halbzeit, in der Mönchengladbach mehr Druck machte, wurde Gladbachs Mittelfeldspieler Thomas Broich von Leandro im Strafraum gefoult. Schiedsrichter Wolfgang Stark gab trotzdem keinen Elfmeter. „Das war nicht entscheidend, deshalb weine ich jetzt auch nicht“, sagte Fach – mit weinerlicher Miene. Es sieht wirklich nicht gut aus für Mönchengladbach. Vier Niederlagen, drei Remis und nur zwei Siege lautet die Bilanz nach neun Spielen. Und dabei haben die Borussen doch 22 Euro Millionen in ihre Spieler investiert, um im neuen Stadion nicht mehr gegen den Abstieg spielen zu müssen. Auch die Personalsituation verschärft sich. Neuzugang Milan Fukal erlitt am Samstag einen Teilriss des Syndesmosebandes, sechs Wochen wird der Tscheche pausieren müssen. Dazu ist Topstürmer und Handballer Oliver Neuville auch noch nächste Woche in Bochum gesperrt.

Mit solchen Dingen muss sich Lienen in Hannover nach drei Siegen in Serie nicht befassen. Lächelnd stieg er in den Mannschaftsbus. Ein bisschen entrückt sah er dabei aus.