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Archiv-Artikel

ManU zertritt Arsenals Serie

Durch übermäßige Härte und mithilfe des Schiedsrichters bringt Manchester United dem Tabellenführer aus London die erste Niederlage seit über 17 Monaten bei. Nicht nur Gunners-Trainer Wenger fühlte sich hernach „ein bisschen betrogen“

AUS MANCHESTER RAPHAEL HONIGSTEIN

Wenn Manchester United gegen Arsenal antritt, rappelt es im silber glänzenden Schuhkarton von Old Trafford und große Gefühlswallungen lassen auf und neben dem Rasen nicht lange auf sich warten. Diesen Sonntag – das war mal was Neues – hatte das Publikum schon vor dem Anpfiff zwei Buhmänner identifiziert. Der eine hieß Peter Kenyon und war früher Geschäftsführer von United. Als er mit seinem neuen Arbeitgeber, dem Chelsea-Eigentümer Roman Abramowitsch, auf der Ehrentribüne aufkreuzte, wedelten erboste Fans mit Geldscheinen vor der Nase des Überläufers. Berti Vogts kam derweil ein paar Reihen weiter unten unbehelligt davon und konnte auf seiner letzten Dienstreise vor der Entlassung durch den schottischen Verband noch einmal live erleben, wie Fußball aussieht.

Der ganze Zorn der Massen traf dafür Malcolm Glazer, den amerikanischen Milliardär, der eine Übernahme von United anstrebt. Vor dem Stadion hatten mehrere tausend Fans gegen ihn demonstriert und Flugblätter verteilt. Die Motive des 76-Jährigen sind den Anhängern der roten Teufel hochgradig suspekt; dass der kleine Mann mit dem roten Bart noch nie im Old Trafford war, spricht zusätzlich gegen ihn. Immerhin konnten ihn die 67.000 entfesselten Besucher kurz in der Halbzeit sehen – er hing als Puppe an einem Galgen hinter dem Tor, bevor ein Aufseher intervenierte. Die mitgereisten Arsenal-Fans ärgerten den Gegner mit frechen „USA, USA“-Rufen.

Wie eine echte Supermacht auf Besuch in der Provinz schienen derweil auch die Gunners ihren absoluten Herrschaftsanspruch auf dem Rasen zu untermauern. Nach 49 Spielen ohne Niederlage konnte man die Aura der Unverwundbarkeit spüren, Angriffszüge von erlesener Schönheit waren zu bestaunen, allein die Betrachtung der Laufwege von Thierry Henry und Co waren ein Genuss – auch wenn nichts Zählbares dabei heraussprang. United, dass sich bei elf Punkten Rückstand auf den Tabellenführer keine Niederlage leisten konnte, wehrte sich im eigenen Haus mit den Mitteln des Straßenschlägers gegen die spielerische Übermacht. Der Dribbler José Reyes wurde systematisch „vom Platz getreten“, wie sich Arsène Wenger hinterher zu Recht beschwerte, Rio Ferdinand stoppte Freddy Ljungberg ungestraft per Bodycheck, Ruud van Nistelrooy trat Ashley Cole gezielt aufs Knie. Schiedsrichter Mike Riley verlor in seinem ehrenwerten Bestreben, die Dinge weitestgehend laufen zu lassen, leider komplett den Überblick; in Deutschland hätte so eine Leistung wohl eine Klage wegen unterlassener Hilfeleistung nach sich gezogen.

Als Wayne Rooney, der an seinem 19. Geburtstag bis dahin nur durch rüpelhafte Fouls aufgefallen war, 20 Minuten vor Schluss neben Sol Campbell zu Boden ging, gab es Elfmeter. „Rooney hat unseren Spielern gesagt, er sei nicht berührt worden“, klagte Wenger, auch in der Zeitlupe war kein Körperkontakt zu erkennen. „Solche Entscheidungen gleichen sich im Laufe der Saison immer aus“, meinte Uniteds Rio Ferdinand zu der üblen Schwalbe, doch das war ein schwacher Trost für die Gäste, denn die hatten schon vor einem Jahr an gleicher Stelle einen unberechtigten Elfmeterpfiff hören müssen. Damals verschoss van Nistelrooy – diesmal traf er (73.). Rooneys Treffer zum 2:0-Endstand in der Schlussminute konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Arsenal klar benachteiligt wurde.

Wenger bewahrte mühsam die Fassung, doch durch den Pressesaal flogen in Säure getränkte Giftpfeile. „Wir fühlen uns ein bisschen betrogen“, sagte der Franzose, „der Schiedsrichter hat aus dem Nichts das Spiel entschieden, wie man das von ihm im Old Trafford gewohnt ist. Schauen Sie sich die Statistik an, die sagt mehr aus alle Beteuerungen von Alex Ferguson.“ Tatsächlich hat Riley vor heimischer Kulisse bereits sieben Strafstöße für United gepfiffen, drei davon waren äußerst fragwürdig. Dem Ende der Serie wollte er naturgemäß wenig Bedeutung schenken; dass mit United nun wieder zu rechnen sei, bezweifelte Wenger: „So, wie die heute gespielt haben, nicht.“

Auf dem Platz war es im Gegensatz zum Vorjahr nach dem Abpfiff übrigens recht friedlich geblieben, im Spielertunnel kam es dann aber zu kleineren Keilereien, bei denen auch Jens Lehmann mitgemischt haben soll. Alex Ferguson wurde von einem nicht näher identifizierten Arsenal-Spieler mit einem Becher Erbsensuppe beworfen. Von dem Choleriker hätte man eine heftige Reaktion erwartet, doch Sir Alex zog sich in Ruhe einen sauberen Trainingsanzug an und lächelte zufrieden in die Kameras Dank Rooney und Riley ist Arsenal seinen Nimbus los, United hat wieder eine Chance auf die Meisterschaft.