: Alles für Ulla
Die Gesundheitsministerin bekommt die Gewinne der Krankenkassen und nicht der klamme Hans Eichel. Sie will damit die Beiträge senken
Das Dementi war vehement: „Ziemlicher Unfug und Quatsch“, sagte SPD-Finanzminister Hans Eichel zu den Gerüchten, er wolle sich bei den Krankenkassen bedienen, um seinen Haushalt 2005 auszugleichen.
Dabei erscheint diese Vermutung nicht abwegig. Denn die Krankenkassen machen seit der Gesundheitsreform Gewinne – auf vier bis fünf Milliarden Euro wird ihr Plus in diesem Jahr geschätzt. Gleichzeitig schieben die Kassen aber auch einen Schuldenberg von 6 Milliarden Euro vor sich her.
Ärgerlich für Eichel: Die Schulden der Sozialversicherungen gehen in die Berechnungen für das Euro-Defizitkriterium ein – genauso wie auch die Minussalden in den Haushalten von Bund, Ländern und Gemeinden. Zusammengerechnet sieht alles danach aus, als müsste der deutsche Finanzminister im Dezember erneut nach Brüssel melden, dass die Schulden auch 2005 drei Prozent des Bruttoinlandprodukts überschreiten. Schon im vierten Jahr in Folge würde Deutschland den Euro-Stabilitätspakt verletzen.
Die nächste Steuerschätzung wird zwar erst am 4. November publiziert. Dennoch ist schon jetzt abzusehen, dass Eichel mindestens acht Milliarden Euro kürzen muss, falls er Sanktionen aus Brüssel vermeiden will. Da wäre das Plus bei den Krankenkassen hilfreich.
Allerdings ist dieses Geld anderweitig verplant: Mindestens 2,5 Milliarden Euro will SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt an die Versicherten weiterreichen. Um 0,25 Prozentpunkte sollen die Kassenbeiträge sinken, die momentan bei durchschnittlich 14,2 Prozent liegen. Die Schulden hingegen will Schmidt bis 2007 strecken und jährlich nur 1,5 Milliarden Euro abtragen. Erfreulich für Schmidt: Diesmal muss sie sich nicht gegen den Finanzminister durchsetzen. Denn es steht längst im Gesetz, dass sich der Schuldenabbau bei den Krankenkassen bis 2007 hinziehen soll.
Aber wie kamen diese „unsinnigen Spekulationen“ (Eichel) dann in Umlauf? In Regierungskreisen vermutet man, dass einige Beamte im Ministerium die Nachricht streuten: „Da gibt es immer welche, die Politik machen wollen.“
Eichel selbst sagt bisher nichts dazu, wie er die fehlenden Milliarden zusammenklauben will. Er werde sich erst nach der Steuerschätzung vom 4. November äußern. Allerdings hat er vorgesorgt: Die Steuerschätzer sind nicht frei in ihrem Urteil, sondern müssen sich an der Herbstprognose des Wirtschaftsministers orientieren, die gestern verkündet wurde. Gemeinsam mit Gesundheitsministerin Schmidt haben sich Eichel und Clement nun auf eine Wachstumsrate von 1,7 Prozent fürs nächste Jahr verständigt – obwohl die meisten Forschungsinstitute nur 1,5 Prozent annehmen. So kann man sich die Steuereinnahmen ein bisschen schönrechnen.
ULRIKE HERRMANN
zur Herbstprognose inland SEITE 8