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Archiv-Artikel

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Chinas KP und Internetfirmen arbeiten bei der Zensur des Web und der Verfolgung von Cyberdissidenten zusammen

BERLIN taz ■ Das Verhältnis der chinesischen Kommunisten zum Internet symbolisiert wohl kein Ereignis so sehr wie Chinas Hochzeit des Jahres. Hu Haiqing, die einzige Tochter von KP-Chef und Staatspräsident Hu Jintao, heiratete im Sepember das Vorstandsmitglied von Chinas größter Internetfirma Sina.com, Mao Daolin, auf Hawaii. Der war zuvor Geschäftsführer des Unternehmens, dessen Aktien an der New Yorker Technologiebörse Nasdaq gehandelt werden.

Die Hochzeit zwischen der 33-jährigen Hu und dem 40-jährigen Millionär Mao konnte bis Ende Oktober geheim gehalten werden. Dann hörte das Wall Street Journal davon, und die Nachricht verbreitete sich – auch Dank des Internets – in Windeseile. Darauf legte der Kurs der Sina.com-Aktien weiter zu. Denn Firmen, die mutmaßlich den Segen führender Kommunisten haben, gelten als profitable Anlage. Zudem ist das Internet in der Volksrepublik ein Wachstumsmarkt. Das Land ist zwar mit 60 Millionen Nutzern bereits hinter den USA weltweit die Nummer zwei, doch das sind noch keine 5 Prozent der Bevölkerung.

Chinas Führung hat die Bedeutung des Internets für die Modernisierung des Landes erkannt, ist sich aber auch der Gefahren für das eigene Machtmonopol bewusst. Die versucht sie auf verschiedene Art zu bannen. So müssen sich in China tätige Internetfirmen seit März 2002 verpflichten, „keine schädlichen Texte zu produzieren oder zu verbreiten, die die nationale Sicherheit oder soziale Stabilität gefährden, Gesetze und Bestimmungen verletzen oder falsche Nachrichten, Aberglauben oder Obszönitäten verbreiten“.

Alle Internetnutzer müssen sich registrieren. Chinas 110.000 Internetcafés müssen über ihre Kunden Buch führen und ihnen mit spezieller Software den Zugang zu missliebigen Webseiten erschweren. Seiten pornografischen Inhalts oder von mutmaßlich regierungskritischen Organisationen oder Medien wie etwa amnesty international oder der britischen BBC sind über chinesische Server, die zunächst eine elektronische „Große Chinesische Mauer“ installiert hatten, meist nicht zugänglich.

Da diese Mauer immer löchriger wurde, hat die Regierung zuletzt mit einem als „Goldenes Schutzschild“ bezeichneten Programm nachgerüstet. Es gibt aber auch Fälle, in denen Nutzer missliebige Seiten ungehindert aufsuchen können, dafür aber anschließend verfolgt wurden. Spezielle Software ermöglicht den Ermittlern, nachzuvollziehen, welche Webseiten von welchem Computer aufgerufen wurden.

Die Menschenrechtsorganisation „Reporter ohne Grenzen“ untersuchte in einer im Mai veröffentlichten Studie die Zensur des Internets in China. Zwar sei das Web das freieste aller Medien im Land, so die Studie, doch trotzdem werde die Meinungsfreiheit eingeschränkt, zum Beispiel in Chatforen. So würden Beiträge, die Worte aus einer schwarzen Liste enthalten, die wie „4. Juni“ (Jahrestag des Tiananmen-Massakers) oder „Falun Gong“ Kritik an der Regierung beinhalten könnten, elektronisch gefiltert und gelangten nicht in die Foren. Beiträge, die diese Hürde überspringen, werden von den Webmastern der Provider überprüft. Diese löschen, was ihnen problematisch erscheint. Dies geht mit einer Verwarnung der Autoren einher und in schweren oder wiederholten Fällen mit deren Sperrung und Strafverfolgung. Darfür gibt es Schätzungen zufolge landesweit bis zu 30.000 Cyberpolizisten, die das Web überwachen und Internetdissidenten verfolgen.

Mitarbeiter von „Reporter ohne Grenzen“ loggten sich aus dem Ausland in chinesische Chatforen von Sina.com, Xinhuanet, Tom.com oder der Pekinger Jugendzeitung ein und beteiligten sich dort mit Beiträgen, die sie vorher nach dem Grad der Regierungskritik von eins (keine Kritik) bis zehn (direkte Kritik an der Zentralregierung) eingestuft hatten. Nur 30 Prozent der als kontrovers eingestuften Beiträge gelangten in die Foren. Dabei waren die von Privatfirmen wie Sina.com gemanagten Webforen toleranter als die von staatlichen Agenturen wie Xinhuanet.

Chinas Regierung versuchte auch bereits, die Nutzung von Programmen westlicher Softwarefirmen einzuschränken, die nicht ihren Wünschen entsprechen. So wurden im August 2002 alle Zugänge zur Suchmaschine Google blockiert. Nach massiven Protesten im In- und Ausland wurde nurmehr der Zugang zu einzelnen Suchergebnissen gesperrt. Zugleich entwickelte ein Regierungsinstitut die Suchmaschine Chinasearch.com. Sie listet keine als subversiv oder pornografisch angesehenen Seiten auf und wurde seit April 2003 von 200 chinesischen Internetfirmen einschließlich Sina.com adaptiert.

Die Nutzung neuer Techniken zur Verfolgung von Cyberdissidenten wäre ohne die Zusammenarbeit internationaler Firmen wie Microsoft, Sun Microsystems, Yahoo, Nortel Networks oder Cisco Systems mit Chinas Staatsapparat nicht möglich gewesen, resümiert „Reporter ohne Grenzen“. SVEN HANSEN