Ins Rollen kommen

Kam, sah und traf: Dank zweier Tore von Claudio Pizarro schlägt der FC Bayern München Tabellenführer VfL Wolfsburg. Torhüter Kahn ist auch dies freilich zu wenig. Er fordert eine Serie

AUS MÜNCHEN JOACHIM MÖLTER

Es war natürlich einfach, Claudio Pizarro als den wichtigsten Mann des Abends zu loben: Der Angreifer machte mit seinen zwei Toren den Unterschied aus beim 2:0-Sieg des FC Bayern München über den VfL Wolfsburg, der immerhin als Tabellenführer angereist war. Aber Bayern-Trainer Felix Magath reduzierte Pizarros Leistung nicht auf dessen Tore, sondern dozierte lieber über dessen Präsenz an sich: „Es war zu sehen, dass die Mannschaft auch spielerisch mit ihm an Potenzial gewinnt.“ Oder einfacher und mit den Worten von Oliver Kahn ausgedrückt: „Mit zwei Stürmern kann man doch für den einen oder anderen Überraschungseffekt sorgen.“

Bislang waren die Münchner wegen einer Verletzungs-Epidemie in der Offensiv-Abteilung auf den Holländer Roy Makaay als Alleinunterhalter angewiesen, weswegen Magath schon geklagt hatte: „Nur mit ihm vorne drin ist unser Angriffsspiel zu leicht zu kontrollieren.“ Die Rückkehr des Peruaners nach überstandenen Rückenproblemen kam deshalb gerade recht; Pizarro spielte erst zum zweiten Mal in dieser Saison von Anfang an. „Ich bin noch nicht fit“, sagte er, „aber ich bin okay.“ Und er sorgte tatsächlich für den einen und für den anderen Überraschungseffekt in diesem Spitzenspiel, das nur vom Tabellenstand her eins war: Sowohl beim 1:0 (24.), das Schweinsteiger klug vorbereitete, als auch beim 2:0 (45.) nach einem Freistoß von Hargreaves kam Pizarro derart unbedrängt zum Schuss, als ob den Wolfsburgern nicht bewusst war, dass er mitspielt.

VfL-Trainer Eric Gerets fasste den zurückhaltenden, ja fast ängstlichen Auftritt seiner Wölfe vor 37.000 Zuschauern im Olympiastadion so zusammen: „Wir waren nicht wir selbst heute.“ Seine Mannschaft hielt geheim, wie sie es an die Tabellenspitze geschafft hatte, vor allem an Spielmacher Andrés d’Alessandro liefen Ball, Gegner und Spiel ungestört vorbei. Die Angreifer Klimowicz (43.) und Brdaric (55.) hatten jeweils auch nur einmal den Ansatz einer Torchance, und als Gerets später den letzten dieser drei vom Platz beordert hatte, kam das dem Eingeständnis eines technischen K.o. gleich. „Wir sind extrem enttäuscht“, sagte Gerets, „wir haben uns sehr viel vorgenommen, aber wir haben ein sehr schlechtes Spiel gemacht.“

So schlecht fand es sein Kollege Felix Magath nun zwar auch wieder nicht, aber diese Einschätzung diente wohl dazu, seinen Profis wieder etwas Selbstbewusstsein einzureden; Magath wiederholte jedenfalls auffällig oft die Sequenz „gutes Spiel gegen den Tabellenführer“. In der Tat war das Auftreten der Münchner zumindest ordentlich: Der schnelle, geordnete Rückzug des Mittelfelds bei Ballbesitz des Gegners funktionierte tadellos, und das reichte schon, um die Gäste aus dem Konzept zu bringen. „Wir wollten es mit schnellen Kontern versuchen“, sagte Gerets. Die Bemerkung vom bislang besten Heimspiel relativierte Magath freilich gleich selbst: „Das war ja auch nicht schwer, weil die anderen nicht so gut waren.“

Beim FC Bayern München sprachen nach dem glanzlos herausgespielten Sieg alle davon, „auf einem guten Weg“ zu sein, so als ob sie sich in der Kabine auf diese Formulierung geeinigt hätten. Und wohin dieser Weg führt, war auch klar: „Na, nach oben, würde ich sagen“, sagte Trainer Felix Magath. Kapitän Kahn gab den Kurs so vor: „Wir wollen so schnell wie möglich auf Platz eins kommen. Das nervt irgendwann, wenn man hinterherrennt.“ So war es ja im vergangenen Jahr gewesen, als den Münchnern schließlich die Luft ausging bei dem Versuch, die enteilten Bremer einzuholen.

Auch insofern kam der Sieg über Wolfsburg sehr gelegen: „Sonst wären es schon wieder sieben Punkte Rückstand“, rechnete Kahn vor. Nun bleibt der FC Bayern wenigstens knapp hinter der Spitze, wo er seinem Selbstverständnis zufolge allerdings nicht hingehört: „Wir dürfen nicht zufrieden sein, dass wir wieder einigermaßen dran sind“, sagte Kahn, „das ist für unsere Ansprüche zu wenig. Wir müssen jetzt mal ins Rollen kommen und eine Serie hinlegen.“ Auch das klang so, als ob sich Spieler und Trainer abgesprochen hätten, denn bezogen auf den Rest der Hinrunde, hatte Magath sinniert: „Wir müssen nur die nächsten sieben Spiele gewinnen, dann stehen wir gut da.“ Scheint so, als ob die Spieler und ihr neuer Trainer endlich auf der gleichen Wellenlänge liegen.