: Ein Gefühl von Erde wurde geweckt
In Berlin traf ich durch die Kunst auf „Stop-Stellen“ zum Denken und Fühlen
Am letzten Samstag bin ich in die Große Hamburger Straße in Berlin-Mitte gegangen, um „The Missing House“ (1990) von Christian Boltanski zu sehen. Obwohl ich schon in meinem Heimatland über diese Installation, geschaffen anlässlich eines vergangenen Projektes „Kunst am Bau“ von diesem weltberühmten französischen Künstler, informiert wurde, habe ich einen ganz frischen Eindruck bekommen, als ich wirklich dort war. Der Ort, in dem sich seine Installation befindet, war ein richtiges Loch in der Dichte der Häuser. Aber es war im Gegensatz zu meiner bisherigen Vorstellung kein einziges Loch in dieser Umgebung. „The Missing House“ steht, obwohl es sich einigermaßen hinter den Vorderhäusern versteckt, der Gedenkstätte und dem Jüdischen Friedhof fast gegenüber, auf deren Grundstück sich nur ein Grab eines Moses, eine moderne Gruppenskulptur als Andenken an die Verfolgten und ein Gedenkstein für das Jüdische Altersheim befinden. Wiederum ein Loch.
Als ich zwischen diesen beiden Löchern stand, hat es irgendwie in mir ein mit „Erde“ verbundenes Gefühl geweckt. Rückblickend auf die letzen Tage in Berlin würde ich sagen, dass es keine erstmalige Erfahrung für mich gewesen ist, dieses Gefühl zu bekommen. Zum Beispiel auch im immer wachsenden, gläsernen Stadtzentrum, in dem jeder ein einzigartiges Zeit-Raum-Gefühl bekommen kann, haben unterschiedliche Kunstobjekte dieses selbe Gefühl geweckt, zum Beispiel „Bibliothek“ von Micha Ullman am Bebelplatz, die ich eigentlich bei meinem letzen Besuch besichtigt hatte, oder die Objekte von Peter Eisenman auf der riesigen Baustelle. Sie waren für mich „Stop-Stellen“ zum Denken und Fühlen. Ich kenne keine andere „Mahnmalstadt“ wie Berlin, zu der die Kunstwerke so stark beitragen. FUMIKO GOTO
Die Autorin ist kuratorische Mitarbeiterin am Miyagi Museum of Art in Japan