: Der Drache, der Engel und Brecht
Das Theaterzentrum Berlin geht unter – und erschafft sich doch immer wieder neu
Die Theaterszene Berlins ist in ständiger Wandlung. Ist ja nichts Neues, aber immer wieder faszinierend. Einer der hoffnungsvollsten Neuanfänge der letzten Jahre war für manche die neue Schaubühne, eine Kommune unter der Regierung Waltz-Ostermeier. Manche glaubten fest an das neue BE unter Peymanns Herrschaft. Manche fürchteten beziehungsweise hofften sogar, dass sich endlich eine Konkurrenz zu Castorfs Volksbühne entwickelt.
Falsche Hoffnungen. Ostermeier ist pleite. Ja, natürlich auch weil das Theater verschuldet ist. Aber vor allem ist es die Idee der neuen Schaubühne, eines Orts des Theaters im Zeitalter der Beschleunigung, eines Theaters, das Schritt für Schritt der Gesellschaft Gesellschaft leistet und sie sogar dabei kritisiert. Daran sind er und sein Team gescheitert. Ostermeiers letzte Inszenierungen wie „Nora“ und „Der Würgeengel“ sind schon anständige Theaterproduktionen, die aber unter dem Mangel an innerer Kohärenz leiden, die weder expressionistisch oder psychologisch gespielt werden noch dem Publikum den Spiegel oder eine groteske Maske vor das Gesicht halten. Inzsenierungen, in denen man vor allem – was das Bedauerlichste ist – keine Grundidee zum späteren Nachdenken finden kann. Als ob die Bühnentechnik und Designer-Ausstattung die Leere nach fehlenden Antworten auf die grundsätzliche Frage verhüllen könnten: Warum mache ich Theater? Das Flaggschiff Schaubühne, toll ausgestattet mit den allerneuesten technischen Erfindungen, läuft immer mehr mit Wasser voll.
(Das BE-Programm zu kommentieren liegt eher in der Kompetenz von den sich mit Brechts Erbe beschäftigenden Theaterhistorikern.)
So schlimm ist es aber nicht. Wo ein Theaterzentrum untergeht, entstehen mehrere andere. Wo eine Theateridee an Stärke verliert, blühen gleich (er)neu(rt)e. Auf der reichen Berliner Theaterkarte blinkt jetzt ein neuer Punkt – der dreiköpfige Drache Hebbel am Ufer. Der Drache soll das Beste aus der Off-Szene Berlins und des Auslands auffressen, verdauen und daraus ein neues Menü für das Haupstadtpublikum kreieren. Bis jetzt hat das Hebbel-Team mit der Inszenierung von „Aspiranten“ schon gezeigt, dass es das Gesellschaftssystem zu diagnostizieren und seine Schwachpunkte zu zeigen weiß. Und dass es sowohl neue Impulse schaffen als auch alte zu eigenen Zwecken nutzen kann. Es soll ein Theater entstehen, das das Lokale und das Internationale verbindet und in Bewegung setzt, das Mut für das Risiko hat, in unbekannte Künstler zu investieren. In wie weit das Hebbel am Ufer die neue Landschaft mitgestalten wird, das zu prognostizieren, ist noch zu früh. Doch hat es schon den Kontext, in dem Theater in Berlin arbeiten, wesentlich geprägt. Und natürlich – es bleibt immer noch die Volksbühne. KATARZYNA WIELGA
Die Autorin ist Theaterkritikerin und Kuratorin für das Theater am Zentrum für kulturelle Zusammenarbeit, „Adam Mikiewicz“, in Warschau, Polen