Spontangeständnis bei Angesicht

Vergewaltigung im Hamburger Drogenmilieu: Amtsgericht verurteilt Oldenburger zu zwei Jahren und acht Monaten Haft. Geständnis brachte erhebliche Strafminderung

Hamburg taz ■ Das Geständnis kam spontan und von Herzen: „Ersparen sie der Frau eine Aussage. Es ist alles so, wie sie es angegeben hat. Entschuldige bitte, es tut mir leid“, schoss es aus Sebastian N. heraus, als die Crack-Abhängige Michaela S. zitternd und weinend auf dem Zeugenstuhl Platz nahm – mit den Worten: „Ich habe Angst.“ Noch drei Minuten zuvor hatte der Angeklagte N. die ihm vorgeworfene Vergewaltigung bestritten und den Hinweis von Amtsrichter Heiko Hammann verworfen, dass ein Geständnis strafmildernd sei.

Seine spontanen Worte und der Zusatz „du brauchst in Zukunft keine Angst vor mir zu haben“ brachte dem 23-jährigen Oldenburger wenigstens eineinhalb Jahre Strafmilderung ein, sodass er gestern vor dem Amtsgericht in Hamburg-St. Georg letztlich mit zwei Jahren und acht Monaten Haft davonkam.

N. war am 17. Mai diesen Jahres nach Hamburg gereist, um sich nachts auf dem Kiez in St. Georg Heroin zu beschaffen. Am nahe gelegenen Hauptbahnhof traf er auf S. Beide unterhielten sich zunächst über private Dinge, dann fragte er nach, ob sie für 35 Euro zum Oralverkehr bereit wäre und für ihn Heroin sowie für sich selbst Crack besorgen könnte. Sie willigte ein, beide machten sich auf den Weg zur Straße „Hühnerposten“ in der Nachbarschaft. Überraschend wurde S. von N. am Kragen gepackt, er schlug sie mit einer Bierflasche, zerrte sie in ein Gebüsch und vergewaltigte sie.

Vor Gericht bestritt N. die Vergewaltigung zunächst unter Rückgriff auf die typische Ausrede: Jegliche sexuelle Handlung seitens S. sei freiwillig geschehen. Bis zur Korrektur durch spontane Einsicht: „Ich hätte mich viel früher an einem Psychologen wenden müssen, denn ich habe schon länger sexuelle Phantasien“, gestand N. „Auf dem Weg hat es einfach klick gemacht und dann hab ich mir das ausgemalt.“

„Ihr Geständnis hat einen unheimlichen Wert“, so Richter Hammann in der Urteilsbegründung: „Es war ein Geständnis, was so normalerweise nicht erfolgt.“ Dadurch sei eine relativ milde Strafe möglich geworden. „Das Geständnis hat nicht nur ihnen geholfen, sondern auch der Zeugin, die nicht mehr auszusagen brauchte“, sagte Hammann. Er riet dem Angeklagten, der seit seiner Jugend den Knast kaum verlassen hat, eine Therapie. „Noch sind sie jung, beim nächsten Mal gibt es keine Perspektive mehr.“ Kai von Appen