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Archiv-Artikel

Keine nachvollziehbaren Gründe

GAL präsentiert Konzept zur Rettung von Hamburgs erfolgreichen sozialtherapeutischen Haftanstalten und wirft Justizsenator Roger Kusch Täuschung des Parlaments vor

Ein „rational nachvollziehbares Motiv“ kann der GAL-Abgeordnete Till Steffen „beim besten Willen“ nicht erkennen. Die von Justizsenator Roger Kusch (CDU) verfügte Schließung der drei dezentralen sozialtherapeutischen Hamburger Haftanstalten und ihre Zusammenfassung in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Vierlande entbehre „jeder fachlichen Grundlage“ und jeder „finanziellen Logik“. Steffen: „Was Kusch da reitet, weiß er nur selber.“

Statt auf die Schließung des Altonaer Moritz-Liepmann-Hauses und der sozialtherapeutischen Anstalten in Altengamme und Bergedorf, wo Gewalt- und Sexualstraftäter in ihrer letzten Haftphase auf die Entlassung vorbereitet werden, setzt die GAL-Opposition auf deren Erhalt. Dafür soll die baufällige JVA Vierlande, deren Kapazitäten nach Fertigstellung des Billwerder Großknastes nicht mehr gebraucht werden, außer Betrieb gehen. Nach Rechnung der GAL kommt diese Lösung die Stadt pro Jahr um mindestens 20.000 Euro billiger als Kuschs Konzept.

Da der GAL-Vergleich ausschließlich auf offiziellen Zahlen der Justizbehörde beruhe, seien diese Berechnungen laut Steffen „erhärtet“. Nicht einmal voll einberechnet in dieses Planspiel seien die „erheblichen Instandsetzungskosten“ in der baufälligen Vierländer Anstalt.

Doch ohne Spareffekt macht die Verlagerung keinen Sinn: Bei einer Expertenanhörung des Rechtsausschusses waren sich fast alle anwesenden Experten einig, dass gerade die Überschaubarkeit der kleinen, dezentralen Sozialtherapien, der Garant für die nachweislich geringen Rückfallquoten der hier betreuten Häftlinge nach deren Entlassung sei. Steffen: „Ein erfolgreiches Konzept wird hier ohne Not über Bord geworfen.“

Zudem wirft der Abgeordnete Justizsenator Kusch die „mutwillige Täuschung des Parlaments“ vor. Denn nach Informationen der GAL wurde zu einer kürzlich stattgefundenen Abgeordneten-Visite der JVA Vierlande „das Gefängnispersonal aus dem Urlaub geholt, um den Parlamentariern Sicherheitsstandarts vorzugaukeln, die in der Praxis gar nicht existieren“.

Auch der von Kusch durchgesetzte Bau der geschlossenen Anstalt in Billwerder mit fast 800 Plätzen des geschlossenen Vollzugs beruhe auf falschen Annahmen. Steffen: „Herr Kusch hat den Ausbau damit begründet, dass Hamburg im Jahresmittel 3.600 Haftplätze benötige.“ Tatsächlich seien im vergangenen Jahr jedoch nicht einmal 2.900 Plätze gebraucht worden – Tendenz fallend.

Dass Kusch die JVA Vierlande nun für den Normalvollzug nicht mehr brauche, sei deshalb auch „das Eingeständnis einer grandiosen Fehlkalkulation“ des Senators. Doch ohne die wäre nach Steffens Einschätzung „der teure Neubau von Billwerder politisch gar nicht durchsetzbar“ gewesen – weil unnötig. Marco Carini