: Stürzen, stürzen, stürzen!
Dieses Stück könnte die amerikanischen Präsidentschaftswahlen entscheiden: Eminem ruft mit „Mosh“ zum Angriff auf George W. Bush
Das Timing dürfte perfekt sein. Genau eine Woche vor den Präsidentschaftswahlen ist endlich das passiert, was die Mobilisierung unter amerikanischen Künstlerinnen und Künstlern seit Monaten versprach, ohne es je wirklich einzulösen: Die Popkultur hat auf höchster Ebene in die Auseinandersetzung eingegriffen. Seit drei Tagen läuft „Mosh“ im amerikanischen Musikfernsehen, die neue Single von Eminem. Es ist ein Stück ohne historische Parallele. Hätte Bob Dylan vor den Wahlen von 1968 einen wütenden Song gegen Richard Nixon eingespielt, es hätte nicht wichtiger sein können. Der größte Popstar der Gegenwart ruft zum Frontalangriff auf George W. Bush.
Es ist allerdings nicht die schiere Größe von Eminem, die die Wirksamkeit von „Mosh“ ausmacht, auch wenn es wahrscheinlich keinen anderen Popstar gibt, der derart glaubwürdig Bush auf Augenhöhe attackieren kann. Es ist die ästhetische Qualität des Videoclips von Regisseur Ian Inaba, das „Mosh“ zu einem so brillanten Stück politischer Kunst macht. Zu den düsteren Sounds des Stücks ruft er in einem an die Serie „South Park“ erinnernden Comic-Szenario all die Themen auf, die gegen eine Wiederwahl Bushs sprechen. Da gibt es den Abbau der Bürgerrechte, dargestellt durch den schwarzen New Yorker Jugendlichen, der von Polizisten mit einem Schlagstock vergewaltigt worden ist. Die Umverteilung von unten nach oben, repräsentiert durch eine allein erziehende Mutter, die aus ihrer Wohnung fliegt, während Bush im Fernsehen seine Steuerpläne verkündet. Und den Irakkrieg: Ein Comic-Eminem tritt in einem brennenden Bagdad vor tausenden von Soldaten auf. Als einer von ihnen bei seiner Rückkehr nach Hause einen Brief vorfindet, der ihn zurückbeordert, zieht auch er sich den schwarzen Kapuzenpullover über und schließt sich der Multitude an, die gemeinsam mit Eminem die Regierungsgebäude ansteuert.
Die große Kunst dieses grandiosen Clips ist es, jene Balance zu halten, die in der politischen Kunst so selten ist, ohne die sie aber jenseits des preaching to the converted meist wirkungslos bleibt: kulturell für alle offen zu sein, ohne politisch an Entschiedenheit zu verlieren. So ehrenvoll es von anderen Künstlern war, Tourneen durch die Swing States organisiert zu haben – dieser Protest war kulturell kodiert. Mit dem Breitwand-Populismus von „Mosh“ argumentiert Eminem politisch. Dieses Stück könnte die Wahl entscheiden.
TOBIAS RAPP