Georgien vor dem Showdown

Zwei Wochen nach den Wahlen reißen die Proteste gegen Staatspräsident Schewardnadse nicht ab. Der setzt auf einen Zerfall der Opposition und verbündet sich mit einem früheren Gegenspieler, dem autoritären Präsidenten der Republik Adscharien

aus Moskau KLAUS-HELGE DONATH

Auch zwei Wochen nach den umstrittenen Parlamentswahlen kommt Georgien nicht zur Ruhe. Opposition und die Regierung um Präsident Eduard Schewardnadse treiben auf einen Showdown zu. Dutzende Militärtransporter blockierten gestern strategische Punkte im Zentrum der Hauptstadt, kurz bevor tausende Demonstranten die Annullierung der Wahlen verlangten.

Die Opposition hatte der Schewardnadse-Administration massiven Wahlbetrug vorgeworfen. Provinzgerichte bestätigten die Anschuldigungen und erklärten einige Resultate für ungültig. Damit gibt sich die Opposition nicht mehr zufrieden. Schewardnadse warnte vor einem Bürgerkrieg und forderte die Opposition nochmals zu Verhandlungen auf. Vorerst erfolglos, denn das im Chaos versinkende Land ist der Herrschaft Schewardnadses endgültig überdrüssig.

Das einst blühende Kaukasusland verwandelte sich unter der Ägide seines Clans in ein Armenhaus. Das sichert der Opposition vorübergehend Zulauf, sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Georgien Politikern aus allen Lagern mit äußerster Skepsis begegnet. Die Führungsköpfe der wichtigsten oppositionellen Gruppen, der Nationalen Bewegung und der Burdschanadse-Demokraten waren einst alle enge Vertraute Schewardnadses. Ihr Griff nach der Macht dient, so argwöhnen viele, auch jetzt nicht dem Ziel, die Lebensbedingungen zu bessern und rudimentäre demokratische Spielregeln zu sichern.

Bislang spielen beide Seiten auf Zeit. Schewardnadse hofft, die Opposition werde auseinander brechen. So will die Gruppe um die Exparlamentsvorsitzende Nino Burdschanadse weiter verhandeln, fordert aber Neuwahlen. Radikaler tritt der frühere Justizminister Michail Saakaschwili auf, dessen Bündnis „Nationale Bewegung“ (NB) mit rund 20 Prozent nach unabhängigen Zählungen der Wahlsieger war. Er verlangt den Rücktritt des Präsidenten und Anerkennung des Sieges der NB.

Die Opposition baut darauf, dass mit zunehmenden Spannungen die Phalanx des Präsidenten bröckelt. Am Mittwoch verließen drei Berater das Präsidententeam, darunter der ehemalige Verteidigungsminister Karakaschwili. Der Schewardnadse-Clan unternahm indes noch einen Versuch, die Macht zu retten, indem er sich mit dem früheren Gegenspieler Aslan Abaschidse verbündete, der als Präsident der autonomen Republik Adscharien auch den Ruf hat, ein autoritärer Potentat zu sein. Er hat die muslimische Schwarzmeerrepublik fest im Griff. So sollen dort 95 Prozent der Wähler für Abaschidses „Wiedergeburt“ gestimmt haben. Auf nationaler Ebene entspricht das 18 Prozent. Mit den Stimmen der Regierungspartei „Für ein neues Georgien“ verfügten die Koalitionäre über 40 Prozent und könnten den Parlamentschef stellen.

„Schewardnadse bietet Abaschidse den Parlamentsvorsitz an, tritt zurück und der adscharische Führer würde automatisch amtierender Präsident“, fürchtet Schurab Schwania von den Burschanadse-Demokraten. Abaschidse bereiste Armenien und Aserbaidschan, um Rückendeckung zu erhalten. Gestern war er in Moskau, das großes Interesse an seiner Präsidentschaft haben dürfte. Anders als Schewardnadse hält Abaschidse an Russland als naturgegebener Vormacht im Kaukasus fest und hat sich bislang erfolgreich gegen alle Vorstöße aus Tbilisi gewehrt, die russische Militärbasis in Adscharien zu schließen.

Sollte Schewardnadse aus Eigennutz auch noch die Interessen Georgiens verraten, träte er in die Fußstapfen des ehemaligen russischen Präsidenten Boris Jelzin, der Russland einem Geheimdienstler anvertraute.