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Archiv-Artikel

Alles so schön bunt hier

Das Sprengel Museum in Hannover zeigt das Konterfei von Andy Warhol auf 50 Gemälden, 45 Zeichnungen, Fotografien und in Filmen. Zu erleben sind Selbstporträts von erhabener Vordergründigkeit – als Ausdruck einer Kunsttheorie profaner Symbolwerte. Der Mensch Andy Warhol bleibt unbekannt

Von fis
„Es gefällt mir,wenn etwasimmer wiedergenau das Gleiche ist.“

Sehr hoch, sehr breit – einen gewaltigen Raum für ein gewaltiges Ego hält das Sprengel Museum Hannover für Andy Warhol bereit. Er aber versteckt sich in seinen Bildern hinter einer Sonnenbrille, Denkerpose, in ausdruckslosen Fahndungsfotos, mit transsexuellen Stylings oder einfach nur mit hübschem Bubigesicht. Als Siebdruck mal in Blau, mal in Rot, mal groß, mal klein, mal mit versetzt nachgezeichneten Konturen, mal mit flächigen Übermalungen. Ein Gesicht auf halbem Weg, ein abstraktes Gemälde zu werden. Ohne dass sich der Ausdruck irgendwie ändert. Ohne, dass man überhaupt einen Ausdruck ausmachen könnte. Die gewaltigen Selbstporträts sind Tarnungen in einem gewaltigen Raum, in dem sich ein gewaltiges Ego als Leerstelle inszeniert.

„Wenn ihr alles über Warhol wissen wollt“, so verkündete der Künstler einst, „braucht ihr bloß auf die Oberfläche meiner Bilder und Filme und meiner Person zu sehen. Das bin ich. Dahinter versteckt sich nichts.“ Ihm gefalle, ein Vakuum zu sein.

Warhol hatte durchschaut, dass in der Massengesellschaft sowohl die Waren wie die Kunst, die Stars wie die Künstler soziale Projektionsflächen sind, die sich um so besser verkaufen, je leerer sie erscheinen. Und Warhol verkauft sich siebzehn Jahre nach seinem Tod immer noch glänzend – als Messias derer, die danach dürsten, berühmt zu werden. Konsequent ist es, dieses zentrale Motiv des Warhol’schen Werkes einmal ausschließlich anhand seiner „Selbstporträts“, so der Ausstellungstitel, zu verdeutlichen.

Das Sprengel Museum setzt also nicht nur auf den Erfolg garantierenden Mythos des Pop-Pioniers, sondern zeigt auch, wie sich mit Warhol der Blick auf die Kunst verändert hat: Hat er doch das heilige Diktum des traditionellen originalen Kunstwerks geschlachtet, behandelte es mit handwerklicher Achtlosigkeit und überführte es als reproduzierbare Massenware in die Logik des Supermarktes.

Warhol gründete seine legendäre Kunstfabrik am New Yorker Broadway 860 – und produzierte Bilder am Fließband: Waschmittelschachteln, Suppendosen, Dollarnoten in endlosen Wiederholungen und Variationen, dazu all die Porträts von Marilyn, Jacqueline und Elvis. Knallbunt gedruckt erscheint die Welt des profanen Scheins als Kunst – also die Kulissen der Existenz, nicht ihr Sinn. Einerseits.

Andererseits wollte Warhol selbst Teil dieses kapitalistischen Realismus sein. „Kunst steht für Künstler“, hat er erkannt. Nicht mehr, was der Künstler künstlert, ist Kunst, sondern dass er als Künstler wahrgenommen wird. Denn der Star auf einem Bild bestimmt den Marktwert, nicht die künstlerische Qualität eines Werkes. Jetzt musste Warhol nur noch selbst Star der Kunstszene werden, um sein Konterfei gut verkaufen zu können. Dazu nutzte er die Mechanismen der modernen Mediengesellschaft, bastelte für den Star-Ruhm am Star-Image. Mit Perücken, Verkleidungen, einer Nasenschönheitsoperation, Klatsch und Tratsch hielt er die Maschinerie der Selbstvermarktung am Laufen. Warhol verkörperte seine Kunsttheorie als Skulptur in eigener Sache. Seine Karriere war sein Meisterwerk, seine größte künstlerische Leistung besteht in der eigenen Mystifizierung – als Teil der Alltagsikonografie. „Ich wünschte“, so wird der 1928 in Pittsburgh als Andrej Warhola geborene Sohn slowakischer Einwanderer zitiert, „ich könnte auch so etwas erfinden wie Blue Jeans, etwas, an das man sich erinnert, etwas für die Massen.“

Hannover zeigt dazu die Starposter auf Leinwand. Maskenwesen zwischen Jüngling, Freak und Jedermann. Immer eigenschaftslos – bis auf einige kurze Videos. In einem inszenierten Gespräch mit Calvin Klein über die Abendgarderobe huscht ein wenig Scheu und Unsicherheit über das zugeschminkte Konterfei.

In den USA hat man Warhol immer einfach goutiert. In Europa sucht man nach Gründen – und vermutet Gesellschaftskritik, wenn einer Symbolwerte des Konsumalltags und das eigene Antlitz bedenkenlos und seriell auf Bilder projiziert. Ein Missverständnis, wie Warhol meint: „Ich mag einfach nur langweilige Sachen. Es gefällt mir, wenn etwas immer wieder genau das Gleiche ist.“

Also wenig zu entdecken in Hannover, alles so schön wie bekannt und redundant, aber vielleicht gerade deswegen deutlich: ein großer Saal mit großen leeren Bildern, die das frostige Gefühl der Freiheit vermitteln, ein Star zu sein. fis

bis 16.1.2005, Mi bis So 10 bis 18 Uhr, dienstags 10 bis 20 Uhr