Juden wie Jesus gibt es nicht mehr

Am morgigen Sonntag feiert der jüdisch-texanische Countrysänger, Entertainer, Kriminalschriftsteller und Cigarristo Richard „Kinky“ Friedman seinen 60. Geburtstag

„Kinky Friedman is allowed to walk on the grounds unattended“

Über diesen Mann sind jede Menge Gerüchte im Umlauf, sogar sein Geburtsdatum ist Gegenstand von Legenden. Sein deutscher Verlag behauptet, Richard „Kinky“ Friedman sei „1945 in Texas geboren“ – er kam aber am 31. Oktober 1944 in Chicago zur Welt. Schon bald darauf zog seine jüdische Familie nach Texas; auf der „Echo Hill Ranch“ beschloss der etwa fünfjährige Kinky Friedman, Countrysänger zu werden. Den Plan machte er etwas später wahr; er gründete die Band „Kinky Friedman and The Texas Jewboys“ und wurde nach eigener Auskunft „der einzige Jude außer Jesus, den man in Texas kennt“.

Dass man ihn kannte, bedeutete nicht unbedingt, dass man ihn auch liebte. Wenn Friedman und seine Band das Lied „Proud to be an Asshole from El Paso“ spielten, mussten sie sich manchmal sehr flink zum Tourbus bewegen; Texaner reagieren auf wahrheitsgemäße Beschreibung ihres Staates und seiner Insassen etwa so humorvoll und gelassen wie Brandenburger, denen man sagt, wie es um sie steht. Auch irrtümlich sich für aufgeklärt haltende Frauen wurden handgreiflich und rabiat, wenn Kinky Friedman auftauchte. Für sein Lied „Put your biscuits in the oven and your buns in your bed“ wurde er von Women’s Lib zum „Sexist of the Year“ gewählt. Seine charmante Replik, „Yes, it’s true, I’m the sexiest“, machte die Sache nicht besser. Die deutlichen Irioniesignale des Songs wurden ignoriert, Friedman wurde der Einfachheit halber zum Feind der Frauen und der Menschheit erklärt, basta.

Auch mit seinem grandiosen Song „They ain’t makin’ Jews like Jesus any more“ machte sich Friedman jede Menge Feinde; das Lied ist eine deutliche Ansage an Antisemiten, die, zur Rede gestellt, selbstverständlich keine sein wollen, an die Gemeinschaft von Rednecks und Linken, die sich zwar gegenseitig verabscheuen, aber im Hass auf Juden doch zusammenfinden. Dass die Juden nicht mehr jesusmäßig die andere Wange hinhalten, wie man es ihnen infamerweise nachsagt, um ihnen die Schuld am Holocaust zuzuschieben, ist eine schöne Botschaft an die Antisemiten dieser Welt. Kinky Friedman hat sie wunderbar formuliert: „They ain’t makin’ Jews like Jesus any more / they don’t hold the other cheek the way they did before.“ Die deutschen Jungs und Mädels, die sich so gern den schwarzweißen Palästinenserlappen vor den Hals binden, der nach Abwaschdienst in der autonomen WG riecht, aber eben auch ein astreines Indiz ist für linken Kitsch mit antisemitischem Einschlag, sollten mit dem Lied ihr deutsches Gemüt ausspülen – es kann sie nur klüger machen.

Hinter Kinky Friedmans Spott-, Irritations- und Provokationslust verbirgt sich, wie könnte es anders sein, ein warmherziger, mitfühlender Mann. „Ride ’em, Jewboy“, sein Lied über den Holocaust, geht tiefer als die tiefste See, sein halber Radiohit „Sold American“ ist nicht minder zart besaitet. Friedman verschliss sich auf endlosen Tourneen, war auch mit Bob Dylans Rolling Thunder Revue unterwegs und nahm unterwegs reichlich „bolivianisches Marschierpulver“ zu sich, wie er seinen Konsum an Nasen-Ata euphemistisch beschrieb. Die Doofendroge bekam auch ihm nicht. „Am Ende“, schrieb Friedman, „brauchte ich eine Stehleiter, um mich am Hintern kratzen zu können.“

Kinky Friedman gab das Tourneeleben auf und begann, Kriminalromane zu schreiben, in denen er selbst als ein moderner Sherlock Holmes Kriminalfälle löst. Seine schärfste Waffe ist sein verblüffender, ganz eigensinniger Humor, seine Haltung zur Welt, in der sich coole Taffheit und liebevoller Umgang mit Mensch und Kreatur überhaupt nicht ausschließen. Seine Milde allerdings endet, sobald er sich mit arabischen und deutschen Antisemiten konfrontiert sieht. In seinem Krimi „Frequent Flyer“ schreibt Friedman: „In LaGuardia schnappte ich mir ein Taxi, das von einem der Landessprache nicht mächtigen Herrn aus der Dritten Welt namens Hassan gelenkt wurde. Wie sich herausstellte, sprach er gerade genug Englisch, um mir zu befehlen, meine Zigarre auszudrücken.“ Im Verlauf des Romans trifft Friedman auf einige ältere Deutsche, die an der „Waldheim-Krankheit“ leiden, „der Unfähigkeit, sich daran zu erinnern, dass man früher ein Nazi war.“

Die niederländische Dokumentarfilmerin Simone de Vries drehte 2001 einen einstündigen Film über Kinky Friedman, der den Entertainer auf der Höhe seines Humors zeigt. In einer Sequenz wirft er einem Hund einen Ball hin, mit dem der Hund herumdamelt. „In the name of God“, spricht Kinky Friedman dem Hund ins erfreulicherweise nicht vorhandene Gewissen, „bring back the ball!“ Noch zweimal wiederholt er in perfekter Predigerparodie: „In the name of God – bring back the ball!“ Das gesamte Drangsal- und Idiotiepotenzial, das jeder Religion innewohnt, steckt in diesen Worten.

Kinky Friedman weiß um Schönheit und Scheiße des Menschengeschlechts, das macht ihn so gut. Auf seiner Visitenkarte steht: „Kinky Friedman is allowed to walk on the grounds unattended.“ WIGLAF DROSTE