: Paparazzos Albtraum
Im Bundestag soll ein Gesetz verabschiedet werden, das die Privatsphäre schützt – und auch seriöse Fotografen ins Gefängnis bringen könnte
von HEIKO DILK
Was haben so genannte Handy-Spanner, Paparazzi und seriöse Fotografen eigentlich gemeinsam? Klar, sie machen Bildaufnahmen. Aber nicht nur das. Wenn ein entsprechender Gesetzentwurf vom Bundestag verabschiedet wird, könnten sie bald auch leichter im Gefängnis landen. Denn mit Gesetzen ist das so eine Sache: Sie müssen allgemein formuliert sein, um so viele Fälle wie möglich abzudecken. Das bringt es mit sich, dass auch Konstellationen erfasst werden können, die gar nicht gemeint waren.
Folgender Fall ist allerdings eindeutig gemeint: Ein Stuttgarter Arzt hatte Patientinnen bei der körperlichen Untersuchung gefilmt, was nun wirklich ziemlich widerlich ist. Er konnte zwar bestraft werden, aber absurderweise nur, weil seine Videos auch Ton hatten. Das Mitschneiden des nicht öffentlich gesprochenen Wortes ist nämlich schon lange strafbar. Wer nur filmt oder fotografiert, musste bislang – sofern er die Bilder nicht veröffentlichte – allenfalls befürchten, Schadensersatz oder Schmerzensgeld zahlen zu müssen. Vorbestraft war er nicht.
Künftig soll mit bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft werden, wer – so viel Juristendeutsch muss sein – „von einer in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindlichen anderen Person unbefugt Bildaufnahmen herstellt oder überträgt und dadurch deren höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt“.
Anlass für die Gesetzesinitiative sind eigentlich die immer besser und immer billiger werdenden Web-Cams, Foto-Handys und andere Überwachungstechnologien.
Der Rechtsanwalt Robert Schweizer, der die Burda Media AG vertritt und damit auch für das Klatsch-Blatt Bunte zuständig ist, sagt allerdings, dass das Gesetz „mit tödlicher Sicherheit eine Einschränkung der Pressefreiheit“ darstellt. Allerdings meint er nicht die Paparazzi-Fotos. Weil jeder wisse, das derartig intime Fotos von Prominenten ohnehin nicht veröffentlicht werden, findet Schweizer das Gesetz insoweit überflüssig.
Der Berliner Anwalt Christian Schertz, der meist Fotografierte und nicht die Fotografierenden vertritt, sieht das anders. Die Übergriffe seien in letzter Zeit „so eklatant geworden, dass man das strafrechtlich sanktionieren muss“. Auch dass der Paragraph keinen Unterschied macht zwischen Promis und „normalen“ Menschen, findet er konsequent.
Problematisch wird es allerdings in folgendem hypothetischen Fall: Ein Fotograf erwischt einen hochrangigen Politiker, sagen wir, einer christlichen Partei, dabei, wie er mit einer Frau, die nicht seine eigene ist, in einem Wohnwagen verschwindet. Nach dem Gesetzentwurf müsste der Fotograf sich gut überlegen, ob er ein Foto davon schießt. Er könnte im Gefängnis landen. „Soll man Gesetze schaffen, die einerseits leer laufen und andererseits die Presse einschüchtern?“, fragt Schweizer deshalb. Zwar würde immer noch abgewogen, zwischen der Verletzung des Persönlichkeitsrechts einerseits und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit andererseits. Aber, so Schweizer: „Sie können absolut nicht sicher sein, wie ein Richter das einschätzt.“ Und auch Schertz sagt, dass die Praxis zeigen müsse, „ob sich das scharf von der zulässigen Berichterstattung abgrenzen lässt“. Die Klatsch-und-Tratsch-Presse werde sich aber jedenfalls schon mal „mehr vorsehen“ müssen, wenn es verabschiedet wird.
Vielen Schützlingen wird das Gesetz allerdings nicht weit genug gehen, wie nicht nur Caroline von Monacos Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zeigt (die taz berichtete). Beatrix (Niederlande) will nicht mehr, dass die Medien Witze über sie machen. Silvia und Carl Gustaf (Schweden) haben kürzlich einen Anwalt angeheuert, um die deutsche Klatschpresse unter die Lupe zu nehmen. Charles (Großbritannien) ließ ausländische Zeitungen einstampfen, weil sie über seine angebliche Bisexualität berichtet hatten. Und Felipe und Letizia (Spanien) haben auch gerade eine Zeitung verklagt. Wegen einer Satire.