: Buttiglione sieht sich als Sündenbock
Der umstrittene italienische Politiker zieht seine Kandidatur als EU-Kommissar zurück. Freiwillig tut er das nicht. Nun will Berlusconi das Kabinett umbilden und Widersacher einbinden. Der gescheiterte Europaminister möchte ein größeres Ressort
AUS ROM MICHAEL BRAUN
Rocco Buttiglione hat am Samstag offiziell seine Kandidatur als EU-Kommissar zurückgezogen. Auf einer Pressekonferenz verlas er eine Erklärung, wonach es „Aufgabe des Politikers ist, auch Verantwortlichkeiten zu übernehmen, die nicht die seinen sind, wenn dies dem Wohl der Allgemeinheit dient“. Damit war der Tenor seiner Stellungnahme vorgegeben: Ziel einer „orchestrierten Kampagne“, einer „Verschwörung“, eines „Hinterhalts“ sei er geworden, kurz: ein Sündenbock.
Dabei habe er von den Sünden anderer – der Schwulen – doch bloß sehr hypothetisch gesprochen, habe bei seiner Anhörung im EP nur gesagt, „I may think“, dass Homosexualität verwerflich sei. Davon habe er nichts zurückzunehmen; auch der Katholik Romano Prodi hätte – so Buttiglione – die gleiche Antwort gegeben, „bloß stellt ihm keiner solche Fragen“.
Diese Argumentation macht deutlich, dass Buttiglione am Ende nicht aus eigenem Entschluss ging. Seinem Chef Silvio Berlusconi war in den Gesprächen mit dem designierten Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso und den europäischen Regierungschefs am Rande der Unterzeichnung der EU-Verfassung klar geworden, dass der eifernde Katholik nicht mehr zu halten war. Italiens Regierungschef brachte das am späten Abend des Freitag mit der lapidaren Bemerkung auf den Punkt: „Buttiglione bleibt Minister.“
Als aussichtsreichster italienischer Kandidat für die EU-Kommission gilt jetzt Außenminister Franco Frattini. Sein Umzug nach Brüssel würde Berlusconi die Chance eröffnen, mit einer Kabinettsumbildung die in den letzten Tagen durch den Streit um die Steuerreform gespaltene Koalition zu festigen. Denn an Frattinis Stelle könnte Gianfranco Fini, Chef der postfaschistischen Alleanza Nazionale, Außenminister werden. Fini hätte sich damit einen alten Traum erfüllt. Seit Jahren arbeitet er auf die volle demokratische Legitimierung seiner Partei auch auf internationalem Parkett hin.
Neben Fini soll auch Marco Follini, Vorsitzender der kleinen christdemokratischen UDC, als Vizeministerpräsident in die Regierung; Berlusconi hätte so seine beiden Hauptwidersacher innerhalb der Koalition in die Kabinettsdisziplin eingebunden. Offen bleibt, was aus Buttiglione werden soll. Bisher Europaminister ohne Portefeuille, reklamiert er jetzt ein größeres Ressort, am liebsten – und zum Graus der laizistischen Kräfte – das Unterrichtsministerium.