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Archiv-Artikel

Nur Kuschelangriffe auf Wohnungen

Max-Planck-Institut untersucht: Wanzen werden beim großen Lauschen selten und „verantwortungsvoll“ eingesetzt

FREIBURG taz ■ Der Kriminologe Hannes Meyer-Wieck hat herausgefunden, dass die Strafverfolger nur „äußerst zurückhaltend“ Wanzen in Wohnungen platzieren, im Schnitt etwa 30-mal pro Jahr. Fast tausendmal öfter werden Telefonanschlüsse mitgeschnitten. Der große Lauschangriff ist also, anders als befürchtet, keine Standardmaßnahme.

Meyer-Wieck arbeitet beim Max-Planck-Institut für deutsches und internationales Recht und hat die Lauschpraxis der Jahre 1998 bis 2001 in einem Gutachten untersucht, das der taz vorliegt. Das Gutachten wird heute in Berlin vorgestellt.

Dass das Papier nun aus dem Schrank geholt wird, ist kein Zufall. Erst am Freitag war Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) von Datenschützern der Big Brother Award in der Kategorie „Politik“ zuerkannt worden – eben weil sie den großen Lauschangriff nicht abschaffen will.

Die umstrittene Möglichkeit, Anwälte, Ärzte und Journalisten abzuhören, habe bisher eine „kaum feststellbare Relevanz“, so das Gutachten. Kanzleien, Arztpraxen und Journalistenbüros wurden gar nicht belauscht. Etwa 13 Prozent der von der Polizei beantragten Lauschangriffe wurden gerichtlich nicht genehmigt, die richterliche Kontrolle sei insgesamt „wirksam“.

Die Erfolgsbilanz der Polizei ist allerdings dünn. In 12 Prozent der Fälle waren die Mitschnitte wegen technischer Mängel nicht verwertbar, 11 Prozent der Wanzen wurden von Verdächtigen entdeckt, und bei 29 Prozent der Maßnahmen ging die Aktion inhaltlich ins Leere. Nur bei 7 Prozent der Lauschaktionen ergaben sich konkrete Tatbeweise, und insgesamt 30 Prozent der Maßnahmen stuft das MPI als zumindest „bedingt erfolgreich“ ein.

Die akustische Wohnraumüberwachung war 1998 vor allem mit Blick auf die organisierte Kriminalität eingeführt worden. In der Praxis wird sie aber in der Hälfte der Fälle als letztes Mittel bei der sonst aussichtslosen Aufklärung von Mordfällen eingesetzt. Hier hofft die Polizei auf Geständnisse am Küchentisch. Gerade solche Privatgespräche dürfen nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts künftig aber nicht mehr mitgeschnitten werden. Ist nicht schlimm, meint das MPI, denn bei Mordermittlungen blieben Lauschangriffe besonders häufig ergebnislos. Im Kampf gegen professionelle und konspirative Drogenhändler hätten Wanzen dagegen durchaus Bedeutung. Hier werde auch weniger in die Privatsphäre eingegriffen, weil das private Umfeld eher zur Tarnung benutzt werde.

CHRISTIAN RATH