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Archiv-Artikel

Rot-Rot radelt auf die Straße

Radwege sollen verstärkt als Streifen auf der Fahrbahn gebaut werden. Für den Ausbau spendiert die Verkehrssenatorin fünf Millionen Euro pro Jahr. Fahrradlobby freut sich: Endlich mal ein Fortschritt

VON STEFAN ALBERTI

Der Senat will mit fünf Millionen Euro jährlich das Radwegenetz ausbauen. Das soll dazu führen, dass sich der Radanteil am Verkehr von 10 auf 15 Prozent erhöht. Anfang der 90er waren es nur 6 Prozent. Die Investition klingt nach wenig – allein zur Unterhaltung seiner Gebäude gibt der Senat im Jahr 70 Millionen aus. Doch selbst führende Fahrradlobbyisten könnten sich zwar mehr Geld vorstellen, meckern aber nicht wirklich. Für Benno Koch, Landeschef des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), ist die gestern vom Senat beschlossene Radverkehrsstrategie „schon fast etwas Sensationelles, weil da erstmals so viele an einem Strang ziehen. In den 90ern war doch Stillstand.“

Rund 800 Kilometer Fahrrad-Infrastruktur gibt es derzeit in Berlin. Der größte Teil davon entfällt auf klassische Radwege, die als Teil des Bürgersteigs ausgewiesen sind – und oft für Zoff zwischen Radlern und Fußgängern sorgen. Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) ist sich mit Koch und dem Verkehrsclub Deutschland (VCD) darin einig, künftig auf Radstreifen auf den Fahrbahnen zu setzen. Zu viele Unfälle würden dadurch passieren, dass Rechtsabbieger wegen parkender Autos Radler auf dem Radweg übersehen. „Es zeigt sich, dass die Radstreifen sicherer sind“, sagt VCD-Landeschef Elmar Hinz. Koch hält zudem den größten Teil der Radwege für nicht vorschriftsmäßig: Sie seien weder breit genug noch hätten sie eine ebene Oberfläche. Hinz sieht neben der noch auszubauenden Infrastruktur ein zumindest genauso wichtiges Bewusstseinsproblem. „Zu viele Leute glauben immer noch, dass sie mehr Rechte auf der Straße hätten, weil sie für ihr Auto auch mehr Geld ausgeben würden als Radfahrer.“

Zu den anstehenden Projekten gehört laut Koch ein Radstreifen an der stark befahrenen Leipziger Straße. Er soll Ende dieses, Anfang nächsten Jahres kommen. Genau lasse sich nicht beziffern, wie viele Kilometer 2005 hinzukommen werden. Auch bessere Ausschilderung soll weiterhelfen.

Die Zahl der tödlich verunglückten Radfahrer war zuletzt deutlich angestiegen: von 10 Toten 2001 über 17 im Jahr 2002 auf 24 im vergangenen Jahr. In diesem Jahr verunglückten bisher 10 Radfahrer. Für ADFC-Chef Koch ist das aber – weil die Zahlen zwar bedauernswert, aber statistisch gesehen klein seien – nicht die ausschlaggebende Größe. Entscheidend ist für ihn die Zahl der schweren Unfälle inklusive der tödlichen. Und die sei in den vergangenen Jahren um ein Viertel gesunken. Schon bei Junge-Reyer-Vorgänger Peter Strieder habe ein Umdenken stattgefunden. Koch: „Junge-Reyer zeigt starkes Interesse und scheint das so umzusetzen, dass wir jetzt die Früchte ernten können.“

Der angestrebte Radanteil von 15 Prozent soll nicht das Ende sein. Koch kann sich in Berlin leicht einen Wert von 25 Prozent vorstellen, Junge-Reyer hält 20 Prozent für möglich, mag das aber nicht für einen bestimmten Zeitpunkt prognostizieren. Was anderswo möglich ist, sah der ADFC-Mann bei einem Besuch in Kopenhagen, Haupt- und Millionenstadt wie Berlin: „Dort werden in der Innenstadt 60 Prozent aller Wege per Rad erledigt.“