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Archiv-Artikel

Die HRE war immer eine Bad Bank

Die Gründungsidee des Hypothekenfinanzierers war es, Problemkredite der Mutter HypoVereinsbank auzulagern und über die Börse finanzieren zu lassen. Dieser Befreiungsschlag hat den Staat nun schon 90 Milliarden Euro gekostet

HAMBURG taz ■ Im Krisenmanagement der Bundesregierung ist bislang der Steuerzahler der Dumme. Er bürgt und haftet und zahlt für die Verluste und die Rettung der Banken. Besonders pikant ist das bei der schwer angeschlagenen Hypothekenbank Hypo Real Estate (HRE), die nicht nur bereits mehr als 90 Milliarden Euro an Garantien erhalten hat. Die Aktionäre sollen auch noch 290 Millionen Euro dafür bekommen, dass der Staat die Bank komplett übernimmt, deutlich mehr, als sie zuletzt wert war. 1,39 Euro bietet der Bund pro Aktie, um den Anteilseignern den Ausstieg schmackhaft zu machen und nicht auf das Enteignungsgesetz zurückgreifen zu müssen.

Dabei waren die heutigen Probleme der Bank schon bei ihrer Gründung oder kurz danach absehbar – nicht in dieser Größenordnung, aber im Grundsatz. Wie war das 1998 in München, als die private Hypotheken- und Wechselbank mit der halbstaatlichen Vereinsbank fusionierte und zur HypoVereinsbank wurde? Kurz nach dem Zusammenschluss entdeckte der neue Vorstand ein milliardentiefes Finanzloch, das prekäre Hypothekenkredite aufgerissen hatten. Zu den Stärken der Bayern hatte die Finanzierung von Häusern, Fabrikgebäuden und anderen Immobilien gehört.

Das angeschlagene gewerbliche Immobiliengeschäft wurde 2003 in die rechtlich selbständige Hypo Real Estate Holding AG abgespalten und dann an die Börse gebracht. Die HRE war also von Anfang an eine sogenannte Bad Bank, mit der sich die Konzernmutter HypoVereinsbank von schwächelnden Krediten befreien konnte, um dann 2005 selbst von der italienischen Unicredit aufgekauft werden zu können. Nur dank dieser Konstruktion und der Übernahme durch die Italiener kamen die Altaktionäre um die Münchner Rückversicherung mit einem blauen Auge davon.

Die HRE selbst folgte einer neuen Mode, der Kreditverbriefung. Darlehen werden in Paketen gebündelt, als Wertpapiere „verbrieft“ und auf dem Kapitalmarkt verkauft. Die Idee stammte aus den USA: Darlehensverkäufe hatten in den 1970er-Jahren erstmals dazu gedient, marode Kreditinstitute und Bausparkassen vor dem Zusammenbruch zu retten. In Deutschland kamen sie erst in den späten 1990er-Jahren bei privaten Großbanken auf, um gefährdete Darlehen unter anderem für obskure „Schrottimmobilien“ in Ostdeutschland abzusichern. Bald wurde der Bestand an Problemkrediten in Deutschland auf 300 Milliarden Euro geschätzt. Kreditverbriefungen von US-amerikanischen Häuslebauern lösten dann im Sommer 2007 die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise aus.

Für den ersten privaten Ausverkauf in Deutschland zeichnete ausgerechnet die HRE verantwortlich. 2004 verscherbelte sie 4.200 Hauskredite für 3,6 Milliarden Euro an den Finanzinvestor Lone Star aus Texas. Die Folgen sind bekannt: Die Texaner setzen ihren unfreiwilligen Schuldnern finanziell die Pistole auf die Brust.

Mit dem Verkauf auf dem Kapitalmarkt war die HRE diese Risiken los. Andere Problemfälle konnte sie offensichtlich nicht rechtzeitig abstoßen, neue kamen durch die Expansion ins Ausland und 2007 durch die Übernahme des Staatsfinanzierers Depfa hinzu.

Um die vergleichsweise geringen Renditen aufzupolieren, setzte die HRE zudem auf ein wackeliges Finanzierungsmodell, das in der Branche beliebt war: Langfristige Anlagen finanzierte sie durch kurzfristige Kredite und umgekehrt. Regelgerecht sind dagegen gleichlange Fristen. Im Ergebnis dieser dubiosen Geschäftspolitik konnte die Immobilien- und Finanzkrise mit voller Wucht auf die HRE übergreifen. HERMANNUS PFEIFFER