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Archiv-Artikel

Netzwerk für ein gerechteres Steuersystem

Kirchen, Gewerkschaften und Attac fordern fiskalische Fairness. Denn die jetzige Regelung erzeugt öffentliche Armut

BERLIN taz ■ Kein Monat vergeht, ohne dass die Repräsentanten der hiesigen Wirtschaftsverbände die Steuerlast der Unternehmen in Deutschland beklagen und Abhilfe fordern. Wer aber wissen will, wie viel die großen Unternehmen an ihren diversen Standorten tatsächlich an den Fiskus zahlen, tut sich schwer.

Denn Anfragende in den Konzernzentralen werden in der Regel ergebnislos vertröstet, die Unternehmensbilanzen immer kreativer gestaltet. Selbst bei den großen Investmentbanken kennt man das Problem: „Die Zahlen der Deutschen Bank sind notorisch schwer zu entschlüsseln“, heißt es etwa bei den Experten der US-Bank Bear Stearns. Und dass nicht nur DaimlerChrysler und Siemens, sondern auch noch eine Reihe anderer Unternehmen in Deutschland jahrelang ungeschoren davonkamen, weiß man nur aus Plaudereien von Insidern. Oder aus Mitteilungen, die auch in den USA gelistete Unternehmen an die dortige Börsenaufsicht SEC schicken mussten, die diese gnadenlos ins Internet stellt.

Diese mangelnde Transparenz begünstigt Manipulationen wie Steuerhinterziehung und Steuerflucht, die zu einem globalen Problem angewachsen sind: Sie führen zu einem Steuerwettbewerb, der den Nationalökonomien Einnahmeverluste in Milliardenhöhe beschert – und den Abbau öffentlicher Leistungen forciert.

Auf den Sozialforen in Florenz und Porto Alegre hat sich deswegen ein „Internationales Netzwerk Steuergerechtigkeit“ gebildet, das Informationen sammeln und veröffentlichen sowie Aktionen koordinieren will. Seit Montag gibt es ein hauptamtliches Sekretariat. Und ebenfalls in dieser Woche nimmt das Netzwerk auch in Deutschland seine Arbeit auf. Den Anfang machen heute und morgen Veranstaltungen in Berlin und Frankfurt.

Initiatoren sind das globalisierungskritische Netzwerk Attac, der Deutsche Gewerkschaftsbund und der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt der Evangelischen Kirche (KDA). Auch wenn der Prozess laut Attac-Steuerexperte Sven Giegold „völlig offen“ ist, gibt es doch eine gemeinsame Erklärung des Internationalen Netzwerks, die die Basis der Arbeit sein wird. Darin fordern die Mitglieder, Großunternehmen und vermögende Privatpersonen steuerlich in die Pflicht zu nehmen, die demokratische Kontrolle der Besteuerung zu verbessern und steuerliche Anreize sowie das Bankgeheimnis abzuschaffen, um den Abfluss von Investitionskapital aus den Ländern zu stoppen.

Entscheidend sei aber die einheitliche Analyse, dass die Strukturen, die Steuerflucht und Steuerhinterziehung mit all ihren Konsequenzen ermöglichen, geradewegs in eine „hausgemachte öffentliche Armut“ führen, sagt KDA-Vorstandsmitglied Brigitte Bertelmann. Giegold: „Die Regierungen reagieren auf das Problem, indem sie die Unternehmenssteuern senken und treten dabei mit anderen Ländern in Wettbewerb.“ Das bedeute dann: noch weniger Steuereinnahmen, noch weniger Geld, um staatliche Aufgaben zu finanzieren. „Der Sozialstaat wird abgebaut.“

BEATE WILLMS

www.taxjustice.de