Nicht ohne meinen Vater

Weil Hamburgs Ausländerbehörde systematisch Familien mit Kindern ohne Rechtsgrundlage trennt, fordert Rechtsanwalt Mahmut Erdem die Einrichtung einer regierungsunabhängigen Härtefallkommission. Jurist streitet in zwölf Fällen

von Marco Carini

Janine G*. kann die Tränen nicht zurückhalten, als sie berichtet, wie die Ausländerbehörde ihrer Familie zugesetzt hat. Als sie und ihr türkischer Mann einmal wieder auf dem Amt erschienen, um dessen Duldung zu verlängern, hieß es nur „Koffer packen!“ Wenn Mustafa G.* sich nicht verpflichte, binnen weniger Tage freiwillig in sein Heimatland auszureisen, werde er sofort in Abschiebehaft genommen.

Sollte er in der Türkei den 18-monatigen Wehrdienst absolviert haben, könne G. ja erneut einreisen und sich um ein Aufenthaltsrecht bewerben, stellte ein Behördenmitarbeiter in Aussicht. Dass die einjährige Tochter so lange auf ihren Vater verzichten muss, falle nicht ins Gewicht.

Auch Stefanie T.* weiß davon zu berichten, wie ihr Mann zur Ausreise genötigt werden sollte. Obwohl ein gültiges Gerichtsurteil seine Abschiebung rechtsverbindlich untersagte, sei er in der Ausländerbehörde vor die Alternative gestellt worden: Entweder sie verpflichten sich schriftlich, innerhalb von zwei Wochen auszureisen, oder wir nehmen sie umgehend in Abschiebehaft. Um der sofortigen Verhaftung zu entgehen, unterschrieb Erdogan T* nach langem Zögern die Ausreiseverpflichtung. Erst nach Intervention seines Anwalts erhielt der Vater einer anderthalbjährigen Tochter eine bis diesen November gültige Duldung.

„12 vergleichbare Fälle“ hat der Rechtsanwalt Mahmut Erdem zur Zeit auf dem Tisch. „Die Ausländerbehörde schiebt im Moment verstärkt Väter von Kleinkindern und Säuglingen ab, deren einziges Vergehen es ist, dass sie sich hier einmal aus unterschiedlichen Gründen illegal aufgehalten haben.“ Dabei handle das Amt meist ohne, oft sogar gegen eine gerichtlich festgestellte Rechtsgrundlage. „Vor Gericht bekommen wir fast immer Recht“, sagt Erdem. Doch das führe nur dazu, dass die staatlichen Abschiebeprofis mit allen legalen und illegalen Mitteln versuchen würden, ausländische Väter deutscher Kinder abzuschieben, noch bevor sie einen Aufenthaltstitel erstreiten könnten. Auch wenn ein Gericht „eindeutig festgestellt“ habe, dass eine Abschiebung widerrechtlich sei, versuche die Behörde die Väter außer Land zu bringen.

Um diese „inhumane Praxis“ zu unterbinden, braucht Hamburg „eine unabhängige Härtefallkommission“, fordert Erdem. Da die Ausländerbehörde sich um Abschiebehindernisse nicht schere, eine juristische Klärung aber oft Jahre brauche und die Betroffenen während dieser Zeit einer permanenten Abschiebegefahr aussetze, sei ein Gremium notwendig, das die Kompetenz besitze „solche Fälle mit der Behörde zu klären“ und im Zweifel auch ein verbindliches Ausweisungsverbot auszusprechen.

Parteienvertreter haben für den Juristen, der selber jahrelang für die GAL-Fraktion im Eingabenausschuss saß, „nichts zu suchen“. Sonst bestehe die Gefahr, dass „die Mehrheit der Regierungsfraktion die Entscheidungen der von ihr eingesetzten Behördenleitungen nur abnicke“.

*Namen geändert