Fundgrube Sonnenallee
: Süßes Leben in arabischer Einkaufsmeile

Wer bei Sonnenallee noch an Leander Haußmanns gleichnamigen Film denkt, muss lange nicht vor Ort gewesen sein. Im vorderen Teil, nahe dem Hermannplatz, bildet der typische Berliner Architekturmix aus Gründerzeit und Nachkriegsmoderne heute einen Rahmen für die arabische Einkaufswelt, die sich dort in den letzten Jahren etabliert hat.

Von einem festen Bestand muss spätestens seit der jüngsten Eröffnung gesprochen werden, dem „Ris A“. Dort werden Hähnchen, aufgesteckt auf rotierenden Rosten, über Holzkohle gegrillt. Mittlerweile gelten die Hähnchen als die besten in der ganzen Stadt. Der logistische Aufbau ist freilich SB-Restaurants wie McDonald’s und Burger King entlehnt, lediglich die arabischen Schriftzeichen unterscheidet diese, wenngleich gute, Massenverköstigung von den amerikanischen Kollegen.

Dass Fülle ein Zeichen arabischer Verkaufskultur ist, lässt sich in allen Geschäften nachprüfen. Anders als in europäischen Geschäften, wo zumeist das Einzelne und Besondere gesucht wird, dominiert selbst in Geschenkläden das Massenprodukt. Zwei Geschäfte bieten Waren aus der arabischen Welt an, die Videothek „Orient“ und das „Basan – Orientalische Artikel“. Die Videothek ist überwiegend auf Filme und Broschüren spezialisiert, hat jedoch auch Musik und die passenden Kostüme für den Bauchtanz im Regal. Im „Basan“ finden sich neben einer großen Auswahl an Wasserpfeifen vor allem Stoffe, Bilder und sonstiges Mobiliar für die Wohnung.

Die Sonnenallee, die als Einzelhandelsstandort seit Jahren im Abwind war, hat inzwischen die Rolle als dreckige und billige Schwester der Neuköllner Einkaufsmeile Karl-Marx-Straße abgestreift. Durch die arabischen Geschäfte und Restaurants hat sich inzwischen ein eigenes Flair gebildet, das sehr lebendig und weltoffen geprägt ist.

Wie etwa das Café „Um Kalthum“, welches das schönste arabische Kaffeehaus in Berlin sein soll. Wie auch andere Lokalitäten, in denen Mann und auch Frau sich zur Wasserpfeife tritt, ist das Café zur Straße geöffnet und hüllt im Sommer den Passanten in schwere Düfte ein. Speisen und Alkohol gibt es dort nicht, stattdessen sind der gute arabische Kaffee und der Tee sehr zu empfehlen. Faszinierend ist die Mischung aus Einzelnen, die still ihre Pfeife genießen, und palavernden Gruppen.

Eine persönliche Empfehlung ist die gleichnamige Konditorei und Bäckerei „Um Kalthum“. Die Cremekuchen lassen für die an Erzeugnisse deutsche Konditoren gewöhnte Zunge einige Aromen und nicht zuletzt auch Alkohol vermissen. Doch die Vielzahl an typisch arabischen Gebäcken, kunstvoll gefüllt und auf großen Blechen angerichtet, behebt dieses Manko durch ganz überraschende Eindrücke für den Gaumen, insbesondere die Kreationen mit Nüssen und Pistazien. Fast zum Beten, und zwar für eine baldiges Ende des Ramadan, bringen einen die Konditoren mit ihrer leckeren Schokolade, die in der Fastenzeit nicht hergestellt wird. Diese Pralinen, in Vollmilch, Bitter und in Weiß erhältlich, hätten jedenfalls ausgereicht, um die Katherina Thalbach des Films „Sonnenallee“ ins süße Leben im Westen gehen zu lassen. MIKAS

„Ris A“, Sonnenallee 26, Mo.–Do. & So. 9.00–1.00 Uhr, Fr./Sa. 9.00–2.00 Uhr; Videothek „Orient“, Sonnenallee 36; „Basan – Orientalische Geschenkartikel“, Sonnenallee 52; Café „Um Kalthum“, Sonnenallee 68; Konditorei & Bäckerei „Um Kalthum“, Sonnenallee 50