Grünes Licht für grünes Plastikgras

Der europäische Fußballverband Uefa will die Diskriminierung der Kunstrasenplätze beenden

STOCKHOLM taz ■ Die Uefa wird in der kommenden Woche Kunstrasen als Spielfläche endgültig zulassen. Diese Vorabinformation gab bei einem Pressegespräch im Rahmen einer Sportmesse in Göteborg ein Mann ab, der es wissen muss: Uefa-Generaldirektor Lars-Christer Olsson. Dem Uefa-Exekutivkomitee, das sich am 10. November unter dem Vorsitz von Lennart Johansson trifft, läge eine eindeutige Beschlussunterlage vor. Die Ergebnisse eines 2003 unter Uefa-Regie begonnenen Pilotprojekts seien klar. Dabei wurden durch Praxistests, Untersuchungen und Spielerbefragungen Kunstgrasarenen zwischen Schottland und Schweden, Salzburg und Moskau beurteilt. Das Resultat: Der Passus im Uefa-Regelwerk, wonach nur dann internationale Begegnungen auf einem Kunstrasenplatz gespielt werden können, wenn beide Teams zustimmen, dürfte gestrichen werden. Ab Saisonstart 2005/06 wird das künstliche Grün dem natürlichen gleichgestellt.

Womit Streitereien wie in der vergangenen Saison, als beinahe das Finale im Uefa-Cup der Frauen geplatzt wäre, weil sich der FFC Frankfurt weigerte, auf dem Kunstrasen im nordschwedischen Umeå anzutreten, der Vergangenheit angehören würden. Ein Konfliktpotenzial, das die Uefa selbst geschaffen hatte, als sie Klubs in Klimazonen, die das Kicken auf grünem Untergrund nur drei bis vier Monate im Jahr erfreulich sein lassen, einen Umstieg auf Kunstrasen empfahl. Die Vereine mussten aber gleichzeitig mit dem Verlust ihres Heimrechts rechnen, sollten sie auf mittel- oder südeuropäische Kunstgras-Skeptiker treffen.

Was nicht Boshaftigkeit sein muss. Denn auch laut Lars-Christer Olsson kann es für eine Elf, die das Spiel auf der künstlichen Oberfläche nicht gewohnt ist, ein böses Erwachen geben: „Das gibt ein ganz anderes Spiel. Es ist schneller und an die Technik der Spieler werden viel größere Anforderungen gestellt.“ Die Uefa-Tests hätten kaum Negatives zutage gefördert. Es gebe auch kein gesteigertes Verletzungsrisiko. Olsson: „Dass manche Spieler den Kunstrasen prinzipiell nicht mögen, ist eine andere Sache. Einig waren sich aber nahezu alle, dass ein guter Kunstrasen einem schlechten Naturgrasplatz vorzuziehen sei.“

Wobei Kunst nicht Kunst ist. Nur die von der Uefa lizenzierte dritte Kunstrasengeneration ist zulässig. Diese hat mit den Belägen der Achtzigerjahre, auf denen der Ball wie ein Flummi hüpfte und schlitternde Knie wie von einem Reibeisen behandelt wurden, nichts mehr zu tun. Das neueste Kunstgras kommt natürlichem Gras erstaunlich nahe. Dafür kostet ein Spielfeld mit solchem Naturersatz aber auch die schöne Summe von 300.000 bis 500.000 Euro. Die Hersteller locken damit, dass dies langfristig gerechnet immer noch billiger komme als die Natur, die stetig umsorgt und ausgetauscht werden muss. Geben die internationalen Fußballverbände endgültig grünes Licht, hofft die Branche auf das große Geschäft. Und darauf, allein in Deutschland jeden dritten der rund 20.000 Fußballrasen austauschen zu dürfen.

Dabei genügt es nicht, den Rasen einfach auf einem Acker auszurollen. Bei den von der Uefa getesteten Plätzen gab es erstaunliche Unterschiede, die vermutlich auf die Bearbeitung des Untergrundes zurückzuführen sind. So sei das Stadion des schwedischen Erstligavereins Örebro nicht zu Unrecht bei allen Gästemannschaften gefürchtet: „Wir führen es auf unserer Liste als Negativbeispiel. Hart wie ein Brett, da müssen bei der Unterlage Fehler gemacht worden sein.“ Klarer Gewinner sei das Luschnikistadion in Moskau, die Heimarena von Torpedo, die auch alle Auswärtsmannschaften gelobt hätten.

Vor allem einige südeuropäische Länder haben sich lange gegen den Kunstrasen gesträubt. Und werden ihn nach Einschätzung Olssons vermutlich auch in Zukunft nicht anwenden. Anders sähe es in sommertrockenen Gebieten wie Griechenland und außerhalb Europas vor allem in Afrika aus. Der Fußball nördlich der Alpen, vor allem der in Nordeuropa, habe mit dem Wechsel zur Plaste aber nur zu gewinnen. Und gewinnen tut natürlich auch die Uefa, welche für die von ihr lizenzierten Produkte saftige Gebühren kassiert.

REINHARD WOLFF