Mit Vivaldi ein König

„Ein König horcht“: Das Bremer Moks-Theater versucht zusammen mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, Kindertheater und anspruchsvolle klassische Musik zu verbinden

Wenn wir träumen, kommen wir ins Traumarchiv. Da bemühen sich dann drei nette Angestellte darum, uns den Traum einzurichten. Die Mittel sind begrenzt, und wenn ein kleiner Junge davon träumen will, König zu sein, dann müssen die Traumbastler sich etwas einfallen lassen – eine Krone ist schnell aus einem Sägeblatt gebaut und als Zepter reicht die Hand einer Holzpuppe, aber ein ganzes Königreich kann man nicht aus den Schubläden des Archivs zusammenschummeln. Der Traum kann allerdings geliefert werden durch die Musik eines Streichquartett, das majestätische Klänge von Haydn, Mozart, Händel und Vivaldi erklingen lässt.

Dies ist die Grundidee vom neuen Stück des Bremer Kinder- & Jugendtheaters „Moks“, das pünktlich zur Adventszeit mit „Ein König horcht“ ein „Musiktheaterstück für alle ab 9 Jahren“ auf die Bühne bringt. Der Autor Heiner Fahrenholz hat hier sehr frei die gleichnamige Erzählung von Italo Calvino verarbeitet und sie als Vehikel benutzt, um auf der Bühne Schauspieler und ein Streichquintett zusammenzubringen. Denn dies ist die erste Koproduktion zwischen Moks und der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen: Man will Kindern klassische Musik nahe bringen, diese entstauben und kindgerecht präsentieren.

Dafür müssen die fünf Streicher Beate Weis und Jörg Assmann (Geigen), Matthias Cordes (Bratsche), Marc Froncoux (Cello) und Matthias Beltinger (Kontrabass) nicht nur punktgenau zu den Aktionen auf der Bühne mit den jeweils passenden Auszügen aus berühmten Streichquartetten und – quintetten einsetzen, sie werden auch mit ins Spiel einbezogen, verziehen ihre bleichgeschminkten Gesichter und geben pantomimische Einlagen.

Mit Stücken von Schubert, Brahms und Beethoven, ja sogar moderner Musik von Lutoslawski spielen sie alles andere als eine Easy Listening-Auswahl. Statt dessen passt die Musik immer so genau zu den Stimmungen auf der Bühne, dass der Zugang direkt über das Gefühl möglich wird. Nicht umsonst fühlt man sich oft an den Einsatz von Musik in Filmen erinnert, und tatsächlich gibt es auch eine komische Szene, in der sich der König eine Kinovorstellung wünscht, alle gebannt ins Leere hinter den Zuschauern blicken und auf die Effekte eines Gruselfilms reagieren, die nur durch eine Musik von Schostakowitsch evoziert werden. Witzig war dies allerdings nur für die Erwachsenen, während sich einige Kinder irritiert nach dem imaginären Film umsahen – was die Eltern dann wieder ganz rührend fanden.

Das junge Publikum lachte am lautesten, als alle SchauspielerInnen ganz simpel um einen Tisch umherjagten, und dies ist wohl auch der Grund dafür, warum der König, der ja eigentlich nur horchen soll, reichlich viel auf der Bühne herumturnt. Da musste der Autor und Regisseur Heiner Fahrenholz wohl einen Mittelweg finden, um Kinder und Erwachsene bei der Stange zu halten. Die Grundidee eines Theaters des Hörens ist leider ziemlich verwässert, und was bleibt ist eine Art Nummernrevue. Das wirkt oft arg zusammengeschustert, wobei Fahrenholz aber nur das Wort „Traumlogik“ sagen braucht, und schon ist er fein aus dem Schneider.

Wenn „Ein König horcht“ dann doch überzeugt, wenn es eine durchgängige, poetische Grundstimmung hat und einen ganz eigenen Zauber entwickelt, dann liegt dies an den Akteuren. Konradin Kunze schlafwandelt als Cicin wunderbar verträumt durch das Stück und Maureen Havlena, Jelena Mitschke sowie Martin Wolf sind sehr sympathische Bürokraten, die mit kindlichem Eifer nach dem Diensttraumpfad suchen. Statt Calvino lieferte wohl eher Lewis Carroll die Inspiration dieses Bühnenwunderlands, in dem einem schon mal ein Schrank frech eine Schublade herausstreckt.

Wilfried Hippen

nächste Vorstellungen: 24.-28.11. um 10.30 Uhr, 29.11. um 16 Uhr