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Archiv-Artikel

Künstler wühlen im Müll

Tenevers arbeitslose Frauen gestalten Lampen und Taschen aus LKW-Planen, Matratzenresten, Bettwäsche und Computer-Innereien

bremen taz ■ Ein gebrauchter Pizzakarton, orangefarbenes Acrylglas, eine alte Lichterkette, Reste von einer Fußmatte, ein Stück Kunstrasen, etwas Alufolie: Fertig ist die Designer-Lampe. Oder wie wäre es mit einer Handtasche aus leuchtend gelben und satt blauen LKW-Planen? Diese und ähnliche Objekte entstehen zurzeit unter den Händen von etwa 20 arbeitslosen Frauen, die mitten im Einkaufszentrum Tenever nähen, schrauben, schneiden und kleben.

Die Aktion ist Teil des Weiterbildungsprojektes „kik – Künstler in der Kulturarbeit“, das im April aus einer Kooperation von Quartier e.V. und der Volkshochschule entstand. Seit September arbeiten die Teilnehmerinnen unter der Anleitung von sechs Künstlerinnen mit Materialien, die normalerweise im Müll landen. Die Werkstatt trägt den Namen „Upsign“. „Dieses Wort ist eine Mischung aus Design und Upcycling“, erklärt Hanna Richter, die zu den anleitenden Künstlerinnen gehört. „Upcycling bedeutet, dass Sachen, die fast nichts kosten, zu Gebrauchsgegenständen mit höherem Wert umfunktioniert werden.“ Dies geschieht zum Beispiel, wenn aus Bettwäsche und Plastiktüten Taschen entstehen oder alte Matratzen-Sprungfedern mit rotem Kunstfell verkleidet zu Lampen werden.

Ein Exemplar aus Kaninchendraht und Pergament entsteht gerade unter den Händen von Silvia Suchopar. In ihrem Unikat zeigt sich zudem aktuelle Stadtteilgeschichte, denn sie hat es mit Fotos von der Sanierung Tenevers verziert. Der Stadtteil liegt ihr auch sonst am Herzen: Ob als Vorsitzende des Bewohnertreffs, beim Quaak-Kanal oder in einer Sambagruppe – „wenn man schon keine Arbeit hat, muss man sich wenigstens ehrenamtlich engagieren, sonst wird man ja verrückt vor Nichtstun“, so die 47-Jährige, die seit drei Jahren erwerbslos ist. Eugenia Teise, die eine Lampe aus ausgemusterten grünen PC-Platinen zusammenschraubt, beschreibt Auswirkungen auf ihren Alltag außerhalb der Werkstatt: „Ich komme mit guter Laune nach Hause. Meine Kinder sind stolz auf das, was ich hier schaffe.“

Die Arbeitslosigkeit der Erzieherin begann am 1. September und fiel passenderweise mit dem Beginn der Fortbildung zusammen, denn hier haben wirklich nur arbeitslose Frauen aus Tenever Zutritt. „Dies ist besonders wichtig für einige Migrantinnen, die nicht mit fremden Männern zusammensein dürfen, die wir aber auch erreichen wollten“, erklärt Elke Prieß, die künstlerische Projektleiterin. Sie hat die Hoffnung, „dass der Kurs den Frauen im Berufsleben nützt“. Keine Sorge, nicht alle sollen Künstlerinnen werden: „Aber mit eigenen Fähigkeiten was zu schaffen und Anerkennung zu bekommen, ist für die Frauen wichtig“, sagt Prieß.

Anerkennung gibt es von Menschen, die an dem rundum verglasten Laden vorbeikommen und sich nach dem Preis der Objekte erkundigen. Über die gibt es bei den Frauen heftige Diskussionen, zumal wirkliche „Preise“ nicht erlaubt sind: Da die Fortbildung gemeinnützig ist und von der EU unterstützt wird, darf offiziell nichts verkauft werden, stattdessen gibt es eine „Spendenempfehlung“ für Interessenten. Ulrike Schröder

Vom 20. November bis 17. Dezember werden die „Abfallprodukte“ Vor dem Steintor 131 ausgestellt