: Endlich in Freizeit
Die Medien haben den Hobbyfußballer entdeckt. Er kickt jetzt in eigenen Fernsehshows und Zeitschriften – nicht immer sieht das gut aus
VON CHRISTIANE MITATSELIS
Es ist einfach nicht schön. Fußball-Profis sind heutzutage verweichlichte Millionäre, die beim Autogrammeschreiben ganz schnell ermüden. Die Bundesliga-Klubs sind – von wenigen Ausnahmen abgesehen – keine zünftigen Ballsportvereine mehr, sondern im schlimmsten Fall profitorientierte Aktiengesellschaften, die ihre Anhänger in Sinnkrisen stürzen. Womit, bitte, soll er sich noch identifizieren, fragt sich der Fan. Wo sind die elf Freunde, die für ein Ziel und füreinander kämpfen?
Erste mediale Antwort auf das öffentliche Verlangen nach Echtheit war die rührselige „Helden von Bern“-Gedächtnis-Manie, die in diesem Jahr ausbrach. Doch es geht weiter. Der Markt mit der Fußballauthentizität wird fortschreitend erschlossen – sowohl von Fernsehsendern als auch Verlagen. Im Sommer startete der Intro Verlag (u. a. Intro, 11 Freunde) das kostenlose Magazin Bolzen – das selbst ernannte „Zentralorgan für Freizeitfußball“ – mit einer Auflage von 250.000 Exemplaren, Erscheinungsweise vierteljährlich.
Wald- und Wiesenkicker finden sich bei Bolzen ein. Auf teilweise richtig künstlerischen, von Lesern eingeschickten Fotos sieht man abgewrackte Bolzplätze, auf denen trotz aller Widrigkeiten regelmäßig gespielt wird. Es gibt rührende Geschichten wie die vom Verteidiger, der im Alter von 50 Jahren sein erstes Tor schoss.
„Wir bekommen sehr viel Resonanz und fühlen uns bestätigt. Es ist ein Trend, auch mal über die Kleinen zu berichten“, sagt Chefredakteur Thorsten Schaar – wohl auch ein Umsatz versprechender Trend: Bolzen finanziert sich durch Anzeigen und das Sponsoring einer großen Sportartikelfirma. Freizeitkicker brauchen schließlich auch Schuhe. Noch investiert der Verlag nur in Bolzen, sagt Schaar. Vom nächsten Jahr an soll Geld verdient werden.
Nicht für umsonst, aber in der Machart sehr billig hat sich im TV-Bereich der Stammtischsender Deutsches Sportfernsehen (DSF) des nichtkommerziellen Fußballs angenommen. Ulli Potofski, RTL-Sport-Urgestein, moderiert seit Donnerstag im Nebenjob die „Kreisklasse“. In der einstündigen Livesendung (Wiederholung So., 22.00 Uhr), von der 20 Ausgaben geplant sind, geht es ausschließlich um Amateurvereine unterhalb der Regionalliga – und um die Wahrheit, die dort wirklich noch auf dem Platz liegen soll. Dieser Wahrheit will sich Potofski im Gespräch mit Studiogästen nähern, per Einspielfilm werden dazu Klubs aller unteren Klassen vorgestellt. In der ersten Folge, die insgesamt noch wackelig daherkam, sah man viele charmant-unscharfe Amateurvideos von verrückten Toren auf ungemähten Plätzen, viele komische Spielszenen. Nervig nur, dass die Kamera in bester Stammtischmanier ständig auf das Dekolletee einer Zuschauerin hielt.
Potofski machte seine Sache dagegen gut, moderierte entspannt und uneitel. „Wir kehren zurück zum Ursprung, dorthin, wo der Fußball herkommt und wo er oft eine wichtige integrative Funktion hat“, sagt er und spricht von kleinen Vereinen, wie es sie in seiner Heimstadt Gelsenkirchen gibt. „Kinder aus vielen verschiedenen Ländern spielen dort zusammen, die Trainer arbeiten meistens ehrenamtlich.“ Solche Menschen hätten es verdient, von der Öffentlichkeit wahrgenommen und gewürdigt zu werden, findet Potofski, der sich nicht zuletzt durch seine Biografie für die Moderation der Sendung empfiehlt.
Der 52-Jährige ist in der Nähe der Schalker Glückauf-Kampfbahn aufgewachsen und hat früher selbst auf den Plätzen gebolzt, die er nun in seiner Sendung zeigt. Authentischer geht es kaum.