: Theater in historischen Kostümen
Warum es dem Berliner Kultursenator Thomas Flierl so schwer fällt reibungslos einen Intendantenposten zu besetzen
Strukturreformen sind immer nur so gut wie die Handelnden, denen sie Raum geben. Das weiß der Kultursenator Berlins, Thomas Flierl, so gut wie die Kritiker seiner Personalentscheidungen. Dass der Wunsch nach mehr Diskussion darüber, für welche Inhalte die vorgeschlagenen Kandidaten für den Posten des Generaldirektors der Berliner Opernstiftung stehen, laut wurde, war mehr als berechtigt. Dass aber statt der inhaltlichen Auseinandersetzung ein Ost-West-Fass aufgemacht wurde, sieht nach einer Posse aus, die nach 15 Jahren geprobter Wiedervereinigung schnell mal deren Scheitern vorführen soll. Sie gipfelte in einer Geschichte des Spiegels, der Thomas Flierl vorwarf, er habe einen Kandidaten, Bernd Fülle, den Geschäftsführer der Frankfurter Bühnen, mit Stasimethoden über einen Journalisten des Tagesspiegels bespitzeln lassen.
Ist die Krise der Theaterlandschaft also ein Spiegel von nur verdeckten Dissonanzen zwischen Ost und West? Oder wird der Streit nicht vielmehr auf dieser Ebene ausgetragen, weil sich da die Emotionen gut schüren lassen und die Schlagworte bereitliegen? Wenn er ein Scheingefecht ist, was sind dann die wahren Motive? Oder ist Berlin bloß noch zu Scheingefechten in der Lage, weil sich die Stadt ihrer Realität nicht stellen kann? Denn zwischen dem propagierten Selbstbild als Hauptstadt, die alles auf möglichst große Außenwirkung hin kalkuliert, und der selbst verschuldeten Pleite der Kommune klafft ein Vakuum, das alle politischen Zielbildungen verzerrt und mit blinden Flecken versieht.
Möglicherweise spielt für diesen halb blinden Blick die Eitelkeit eines Bürgermeisters (Klaus Wowereit, SPD) eine große Rolle, der sich mit seinem Kultursenator von der PDS zwar in einer Koalition befindet, aber nicht damit umgehen kann, dass dessen intellektueller Kulturbegriff nicht mit seinen Bedürfnissen nach Kultur als Parkett des schicken Auftritts übereinstimmt. Ganz sicher bildet der Konkurrenzkampf zweier großer Berliner Tageszeitungen (Tagesspiegel und Berliner Zeitung) einen Hintergrund, die plötzlich wieder die Karte der West- oder Ostidentität im Werben um die Leser ziehen. Auf diesem Nebenschauplatz der Krise wurden jetzt ernste Konsequenzen gezogen: Der Redakteur Peter von Becker, der Flierl nach einem Gespräch mit Bernd Fülle über seine negative Einschätzung per E-Mail informiert hatte, wurde als Feuilletonchef abgelöst.
Thomas Flierl jedenfalls gab vorgestern im Parlament Fehler bei der Suche nach dem Generaldirektors der Opernstiftung zu. Festhalten aber will er an dem Kandidaten Michael Schindhelm. Der hat als Intendant in Basel den Ruf eines gutbürgerlich abgehangenen Theaterbetriebs in den eines Hauses verwandelt, von dem man auch Mut zum Risiko und Anschluss an Diskurse, die über Theater hinausgehen, erwarten kann. Ein Ehrenrat soll sich jetzt mit dessen Biografie beschäftigen und seinen Kontakten zur Staatssicherheit.
Gestern gab Flierl eine weitere und diesmal eindeutig vielversprechende Entscheidung bekannt: die Intendanz des Gorki-Theaters mit dem Regisseur Armin Petras zu besetzen. Die Personalkommission des Senats muss noch zustimmen. Widerstand in diesem Fall wäre nur noch als parteipolitische Ranküne zu verstehen.
KATRIN BETTINA MÜLLER