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Archiv-Artikel

Growshop NRW eröffnet

Die Verwendungsmöglichkeiten des Naturproduktes sind vielfältig. Eine Hanffabrik im Kreis Gütersloh hat jetzt große Pläne: NRW soll zum bundesdeutschen Hanfanbauzentrum werden

„Unser Motto: Zurück zur Natur. Eine andere Möglichkeit haben wir doch gar nicht“

VON KARSTEN SCHÜLE

Im laufenden Jahr wurden von nordrhein-westfälischen Landwirten 270 Hektar Boden mit Hanf bepflanzt. Eigentlich ein Siegeszug für die weltweit älteste Kulturpflanze, schließlich hatte bis 1995 noch ein bundesweites Anbauverbot bestanden. Viel zu wenig, findet dagegen die Firma HAV Nafitech in Werther. Die Hanffabrik hat ein ehrgeiziges Ziel formuliert: Bis Ende 2005 will sie die Anbaufläche verzehnfachen. 2009 soll die Nutzpflanze gar auf 8.000 Hektar in die Höhe sprießen.

Karl-Erich Oldemeyer ist an dieser Entwicklung nicht ganz unbeteiligt. Früher war er nur Landwirt, heute ist er auch Vorsitzender der NRW-Hanfvereinigung. Als 1992 die Reform der europäischen Agrarpolitik eine massive Absenkung der Getreidepreise nach sich zog, sei es notwendig gewesen, sich zum Ausgleich der Einkommensverluste nach alternativen Möglichkeiten umzuschauen. „Dabei sind wir auf Hanf gestoßen“, erzählt Oldemeyer. 1995 schließlich habe das Anbauverbot endlich zu Fall gebracht werden können. Zuvor habe man das Gespräch mit politischen Vertretern gesucht und aufgeklärt. Dass sich die Grünen zu dieser Zeit bereits in Landtag und Bundestag etabliert hatten, habe sich da zweifelsohne positiv ausgewirkt. Genauso das Bestreben eines Zulieferers der Autoindustrie, der sich Mitte der Neunziger auf die Suche nach einem Hanflieferanten begeben habe. Dort hatte man geplant, die Nutzpflanze zur Herstellung von Spritzgussteilen und als Füllstoff für Sitzpolster zu verwenden.

Karl Erich Oldemeyers Engagement geht indes weit über politisches Handeln hinaus. Gemeinsam mit seinem Bekannten Joachim Klack entwickelte er ein schnelleres Hanfaufschlussverfahren. Der Hanf wird in seine einzelnen Bestandteile zerlegt, in Langfasern, Kurzfasern, Schäben (hölzerner Stielinnenteil), Samen und Blattwerkreste: „Mit dem alten Verfahren war eine ökonomisch sinnvolle Weiterverarbeitung kaum möglich.“ Früher habe die Stundenleistung der Anlagen bei etwa eineinhalb Tonnen gelegen. „Heute schaffen wir 30“, sagt Oldemeyer. Die modernen Maschinen basieren auf seiner Erfindung. Dadurch steigerte sich die Rentabilität auch für die Landwirte. Außerdem sei die Hanfpflanze überaus pflegeleicht, „es gibt noch nicht mal Schädlinge“. Auf die Verwendung von Pestiziden könne verzichtet werden, zurück bleibe ein reines Naturprodukt.

„Es ist schon beeindruckend, vor einem ganzen Feld mit bis zu vier Meter hohen Hanfpflanzen zu stehen,“ sagt auch Achim Heidemann, bei der Hanffabrik in Werther zuständig für Kundenakquise. Heidemann ist Fachmann für Dämmstoffe, die hervorragenden Dämmeigenschaften von Hanf haben ihn überzeugt. Auch darüber hinaus seien der Verwendung des Naturproduktes kaum Grenzen gesetzt, sagt Heidemann: Die Langfasern würden zu Dämmstoffen, die Kurzfasern zu Bodenplatten, die Schäben zu Stalleinstreu, Pilzsubtrat und Spritzguss, die Samen zu Öl und die Blattwerkreste zu Brennstoff verarbeitet. Selbst in der Medizin, in der Kosmetik-, Stoff- und Nahrungsmittelindustrie könne das Produkt Verwendung finden. Auch die nordrhein-westfälische Landesregierung ließ sich vom Hanfanbau überzeugen. Während eines Besuchs in der Hanffabrik im vergangenen August versicherte Landwirtschaftsministerin Bärbel Höhn (Grüne): „Sie haben meine Unterstützung“, und stellte Landesmittel in Aussicht. Kaum zwei Wochen später war es soweit: Der Bewilligungsbescheid für die Fördermittel wurde erteilt. „Im Frühjahr wollen wir mit der Verarbeitung der eingelagerten Bestände beginnen“, erklärt Heidemann. Höhere Ankaufspreise sollen jetzt mehr Agrarbetriebe dazu bringen, auf die Nutzpflanze zu setzen. Derzeit beschäftigt das Unternehmen zehn Arbeitnehmer. Im Jahr 2009 sollen es 50 sein.

Karl-Erich Oldemeyer zeigt sich mit dieser Entwicklung zufrieden: „In den vergangenen Jahren haben wir viele Rückschläge erlitten. Jetzt scheinen wir uns aber auf einem guten Weg zu befinden.“ Wenn Oldemeyer erzählt, ist spürbar, dass ihm all das zur Herzensangelegenheit geworden ist. Schließlich ist er überzeugt davon, für die richtige Sache zu kämpfen: „Unser Motto muss lauten: Zurück zur Natur. Eine andere Möglichkeit haben wir doch gar nicht.“