: Duffy Duck lässt Federn
PHANTOM GHOST Nächste Woche erscheint das neue Album von Tocotronic-Sänger Dirk von Lowtzow. Wir lieben es schon jetzt
VON JULIAN WEBER
Von Kumpeltypen, Schweiß und Echtheitszertifikaten soll im Folgenden nicht die Rede sein. In der Musik von Phantom Ghost steckt keine Unze Rockromantik. Ihr neues Werk „Thrown out of Drama School“ ist klassische Duomusik: Streng in der Instrumentierung, dominieren Klavier und Gesang.
Den Auftakt des Albums bildet das feierliche, fast schon militärische Lied „The Charge of the Light Brigade“. Die Melodie ist eine Adaption des alten englischen Marsches „British Grenadiers“ – im Original auch Teil des Soundtracks von Stanley Kubricks Film „Barry Lyndon“. Aus dem 4/4-Takt ist in der Bearbeitung von Phantom Ghost ein 3/4-Takt geworden. Der Song sei auf diese Weise „verweichlicht und verweiblicht“, sagt sein Sänger Dirk von Lowtzow und verweist auf Volkslied-Adaptionen des englischen Komponisten Benjamin Britten, die als Vorbild gedient haben.
„Wenn ich an den Protagonisten in dem Song denke“, sagt von Lowtzow, „sehe ich Duffy Duck vor mir, wie er Federn lassen muss.“ Während die Musik eine Anmutung des 19. Jahrhunderts ist, geht es in dem Songtext um moderne, erkenntnisfördernde Inszenierungsstrategien aus der Welt des Theaters, ums Blenden und ums Geblendetwerden: „We stand behind a curtain close/in the spotlight we wait.“
Vielen ist Dirk von Lowtzow als Sänger der Rockband Tocotronic ein Begriff, sein Bandkollege Thies Mynther ist Keyboarder der Hamburger Modband Superpunk. Phantom Ghost sehen sie in Ergänzung ihrer jeweiligen Bandprojekte. „Wir haben ähnliche Vorlieben“, sagt von Lowtzow, „uns verbindet eine fast schon manische Abwehrhaltung gegen Authentizitätsterror.“ Manchmal, wenn sich Phantom Ghost zum Songschreiben verabreden, verzetteln sich die beiden in Hamburg und Berlin lebenden Musiker auch dabei.
Die Dramaturgie von „Thrown out of Drama School“ ist Ergebnis dieses Prozesses: Mynther klimpert bisweilen ironisch, als müsse er beim Ballettunterricht Klavier begleiten, und bei „The Process“ gelingt es Phantom Ghost, einen Reiseroman von Brion Gysin in fünf Strophen zu vertonen. Bei „Ornithology“ lässt Mynther einen Synthesizerton mitschwirren und bei „Meshes of the Afternoon“ spielt der Pianist dann wieder samtig-weiche Duke-Ellington-Bluenotes.
Erst zum Finale des Albums holen Phantom Ghost den Glitter und den Tand wieder zurück. Minimalistisch covern sie einen Song der englischen Euro-Trash-Darlings Right Said Fred. Deren Charthit „You’re my mate“ wird plötzlich zum Volkslied und verweist auf den Anfang des Albums. Bei Phantom Ghost singt von Lowtzow grundsätzlich auf Englisch und macht seinen Akzent in jeder Silbe kenntlich. „I was thrown out of the academy/for seeing things differently“, reimt er im Titelsong „Thrown out of Drama School“. Nach dem Abitur hat von Lowtzow einst vergeblich versucht, auf die Schauspielschule im österreichischen Graz zu gelangen. Der Rausschmiss im Songtitel ist allerdings inspiriert von der Lebensgeschichte des schwulen englischen Schauspielers Rupert Everett, der wegen Drogenmissbrauchs der Londoner Central School of Speech and Drama verwiesen wurde und zu Weltruhm in Hollywood gelangte.
Das Cover von „Thrown out of Drama School“ ziert eine Installation der Künstlerin Cosima von Bonin. Drei vogelartige Puppen hängen an Schnüren. Es sind seltsame Vögel mit einem flamboyanten Federkleid.
Phantom Ghost „Thrown out of Drama School“ (Dial/Kompakt)